Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
schimpfte er vor sich hin, der habe wohl Tomaten auf den Augen.
»Sie verhaften mich doch nicht, oder?«
Keine Antwort.
»Wie geht’s Kevin? Geht’s ihm gut? Wo ist er? Ich habe ihn gesucht und keine Spur von ihm gefunden.«
Sie betrachtete die Hinterköpfe der Beamten, die Schultern. Keiner verzog eine Miene, sie enthielten ihr nichts vor: Sie wussten nicht, wie es Kevin ging.
»Das haben sie euch nicht gesagt, was?«
Im Rückspiegel sah sie, dass der Fahrer die Augen zu Schlitzen verengte. »Halten Sie verdammt noch mal die Klappe«, blaffte er sie an.
Und sie gehorchte.
III
Streifenwagen säumten die Straße vor einem bescheidenen Bürogebäude aus rotem Backstein, das in den Dreißigerjahren erbaut worden war, gerade Linien und große Fenster. Aber die massige Tafel über der Tür stammte aus jüngerer Zeit. In souveränen blauen Buchstaben stand dort: Polizeipräsidium Strathclyde. Insgesamt wirkte das Gebäude nicht sehr freundlich, als wollte es darauf hinweisen, dass hier die ganz wichtigen Jungs zu Hause waren.
Der Fahrer fand eine Parklücke, stieg aus und zupfte seine Uniform zurecht, während er um den Wagen herum an ihre Tür trat. Beide Polizisten sahen zu dem Gebäude hinauf und Paddy fand, sie wirkten eingeschüchtert, zwei Constables von der South Side, die ihre Beute bei unsichtbaren Herren ablieferten. Als sie aussteigen wollte, wurden die Beamten erneut handgreiflich, packten sie zu fest am Ellbogen, taten ihr weh wie gemeine kleine Schulhoftyrannen.
»Sie müssen mich nicht so grob anfassen«, sagte sie, als sie die Tür aufstießen und sie zur Anmeldung brachten.
Ein normales Polizeirevier war das nicht, das konnte Paddy sofort sehen. Der Eingangsbereich wirkte eher wie der einer Firma. Es gab keine Zellen und eigentlich auch sonst keinen Grund, weshalb gewöhnliche Vertreter der allgemeinen Öffentlichkeit hier aufkreuzen sollten, weshalb in der holzgetäfelten Empfangshalle einige Ledersessel in einer Reihe nebeneinanderstanden. Eine hübsche Empfangsdame sah aufmerksam hoch, und die Telefone auf ihrem Schreibtisch waren auch nicht angeschraubt, wie in anderen Polizeidienststellen üblich.
»Ich werde schon nicht wieder abhauen«, sagte Paddy zu dem älteren Beamten, als sie sich setzten.
Er warf ihr einen giftigen Blick zu. »Seien Sie still.«
Der jüngere Beamte, der die Anmeldung übernommen hatte, kam zu ihnen herüber und nahm auf ihrer anderen Seite Platz. Sie würde mit Sean sprechen und ihm sagen müssen, dass man sie vor dem Gefängnis gesehen hatte. Für ihn wäre das nicht so schlimm wie für sie, dachte sie. Er war nur Fahrer bei der News und außerdem Callums Cousin. Jemanden zu feuern, weil er einen Familienangehörigen nicht verraten hatte, wäre zu maoistisch, sogar für Buntys Verhältnisse.
Sie sah auf die offene Holztreppe hinauf. Wer auch immer ihr die beiden auf den Hals gehetzt hatte, befand sich dort oben, setzte sich wahrscheinlich gerade über Terry, Kevin oder sie ins Bild. Sie würde mit einer Story über Kevin Hatcher zurückkommen, ihrem Befrager irgendetwas entlocken und es Bunty vorsetzen, um ihn wieder friedlich zu stimmen. Egal, woran Merki arbeitete, er hinkte kilometerweit hinterher.
»Ich glaube, ich werde verfolgt«, sagte sie zu dem kinnlosen Beamten neben ihr. »Von einem kleinen Mann im Trainingsanzug. Ich hätte ja auf Polizei getippt, aber er trägt ein Celtic-Trikot und ich weiß, dass ihr alle Protestanten seid.«
Er hörte nicht zu, sondern sah an ihr vorbei zur Treppe hinauf, sprang auf und zog eine Augenbraue hoch.
Paddy drehte sich in die Richtung, in die er starrte, und sah eine altmodische Frau in einem billigen Kostüm auf sie zukommen und den Beamten kurz zunicken. Während sie Paddy am Oberarm fasste und hochzog, sagte sie: »Miss Meehan, ich bin DI Sharon Garrett. Würden Sie bitte mitkommen.«
Das war keine Frage.
Paddy betrachtete ihr wie durch Wasser gebrochenes Spiegelbild in der Fahrstuhltür. Garrett und der junge Beamte flankierten sie, der ältere stand hinter ihnen und erlaubte sich ein Lächeln. Sie wirkte sehr klein zwischen den anderen, ihre Klamotten zerknittert. Sie roch den Zigarettenrauch an sich.
Der leere Lift kam und sie stiegen ein, Garrett drückte auf den Knopf für den fünften Stock und die Tür schloss sich.
»Wollen Sie mich über Kevin befragen? Geht’s um Kevin oder sind Sie an der Sache mit Terry dran? Ich habe ein Foto von dem Mann, von dem ich erzählt habe.«
Niemand sagte
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