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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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waren nie vollständig. Immer fehlten Namen. Winter nahm den Keil hervor, der sich ausgezeichnet dafür eignete, Schlösser zu knacken. Er führte ihn ein, bewegte ihn ein wenig vor und zurück, und dann klickte es im Schloss.
    Sie öffneten die Tür und betraten ein gemauertes Gewölbe, das wie ein mittelalterlicher Schlossgang war. An den Wänden geschmiedete Laternen, Mittelalter. Oder ein südliches Land. Mittelalter in einem Land im Süden.
    »Lustiger Hof«, sagte Ringmar hinter ihm. Winter hörte die Anspannung in seiner Stimme. Unter den Füßen hatten sie Kopfsteinpflaster. Fehlten ihnen nur noch die Degen. Ein Hut mit Federbusch. Er trug einen einfachen und bequemen Anzug von Laizze. Winter spürte den Druck seiner Pistole an den Rippen. Es war nicht das erste Mal. Rechts sah er den Eingang zum Treppenhaus. Er war es, das war die Öffnung. Ein kalter Wind strich durch den Gang, den Tunnel. Sie hatten den Wind mit hereingebracht. Was hatten sie noch mitgebracht? Die Rettung. Nein. Etwas anderes. Die Wahrheit. Nein. Gerechtigkeit. Nein. Liebe. Ja, vielleicht. Liebe. Bertil und er standen nicht für das hier, nicht für das in dem Zimmer über ihnen. Im Film. Den Filmen. Sie standen für etwas Größeres, Besseres. Reineres. Nein. Etwas, das es noch geben würde, wenn sie nicht mehr waren, wenn er nicht mehr war. Größer als das Leben. Der Sinn des Lebens lag darin, dass Bestand hatte, was größer war als das Leben, wenn es kein Leben mehr gab. So einfach war das. Eine höhere Liebe, eine größere Liebe, eine überlegene Liebe, a love supreme, a love supreme , plötzlich hörte er die Musik in seinem Kopf.
    »Frohes neues Jahr«, sagte Ringmar.
    »Warum sagst du das gerade jetzt?«
    »Vielleicht habe ich nachher keine Gelegenheit mehr dazu.«
    »Warum denn das nicht?«
    »Vielleicht haben wir nachher zu viel zu tun.«
    Winter schaute auf die Uhr. Es war noch genügend Zeit für ein Neujahrssouper. Aber vielleicht nicht für ihn. Er begann, die Treppe hinaufzusteigen.
    »Hier ist es, dritter Stock«, sagte Ringmar leise. »Wenn wir uns an den Baracken orientieren.«
    »Und den Balkonen.«
    Sie bogen nach rechts ab. Auf dem Treppenabsatz gab es zwei Wohnungstüren. Ringmar wies mit dem Kopf auf die linke. Winter ging leise darauf zu. An der Tür stand kein Name, auch nicht rechts davon an der Wand. Er sah Ringmar an. Ringmar trat näher an die andere Tür heran, die rechte. Hier konnte es nicht sein. Es gab einen Namen: Svensson. Den simpelsten Namen des Landes. Eine schlichte Seele, die langsam, aber unaufhaltsam in eine Wohnung im Zentrum vorgedrungen war, nur einen Katzensprung von der Avenyn entfernt. Mittel-Svensson war Ober-Svensson geworden. Aber die Avenyn war jetzt trash , mit dem Aufstieg war also nicht viel gewonnen. Der Westen war besser, das Meer. Von dort sind wir schließlich einmal gekommen.
    Winter drückte auf den Klingelknopf neben der namenlosen Tür. Sie hörten es drinnen läuten, leise, gedämpft. Dicke Wände. Von irgendwoher hörte er Stimmen, ein Lachen. Es kam von oben. Vielleicht durch eine Tür, die angelehnt war. Um sie herum wurde es dunkel. Ringmar ging zu dem leuchtenden Schalter und machte Licht. Winter drückte erneut auf den Klingelknopf. Wieder das gedämpfte Signal. Er klingelte noch einmal. Sie warteten. Er klingelte ein letztes Mal und holte das Einbruchwerkzeug hervor.
    »Hat der Kerl damit gerechnet, dass wir schließlich vor seiner Tür stehen?«, sagte Ringmar.
    »Ich bin nicht ganz sicher. Vielleicht war es etwas anderes.«
    »Was?«
    »Hochmut«, sagte Winter.
    »Hochmut kommt vor dem Fall«, sagte Ringmar. »Entschuldige die abgedroschene Phrase.«
    »Hier trifft sie zu.«
    »Okay«, sagte Ringmar. »Wir gehen rein.«
    Winter drückte das Schloss mit dem Keil auf. Das Klicken klang spröder als bei der Haustür. Er erwartete alles Mögliche. Absolut alles erdenklich Mögliche.
    Winter und Ringmar waren links und rechts von der Tür in Stellung gegangen. Sie glitt langsam auf. Wieder verlosch die Treppenhausbeleuchtung. Die Tür wurde ein Schatten, bewegte sich nicht mehr. Nichts war zu hören. Aus der Wohnung fiel Licht. Es musste die Dämmerung sein, die von draußen hereindrang.
    Winter sah es in Ringmars Augen aufblitzen. Er schien zu nicken. Plötzlich war er drinnen. Winter folgte ihm. Das machten sie nicht zum ersten Mal. Es könnte das letzte Mal werden. Nein. In der Wohnung war es still. Hier gab es nichts. Nichts. Keinen Geruch, niemanden, der sie

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