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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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aufhielt. Jetzt standen sie im Flur. Ringmar hatte seine Taschenlampe angeknipst. Das Licht war brutal, als es sich mit dem milden Dämmerlicht mischte. Es war besser, die Deckenbeleuchtung einzuschalten. Winter konnte jedoch keinen Lichtschalter entdecken. Links war ein Raum. Er blieb stehen, es war die Küche. Arbeitsplatte, Herd, alles sehr sauber.
    »Hier ist nichts«, hörte er Ringmar leise hinter sich sagen. »Wie leergefegt.«
    Sie durchquerten einen nackten Flur. Hier wohnte niemand, jedenfalls nicht im Flur. Winter blieb vor der nächsten Tür stehen, rechts. Sie war offen. Er sah ein Zimmer, ein Fenster. Nichts weiter. Zimmer, Fenster, Wände, Fußboden, Decke. Nackt. Das Fenster ließ das Dämmerlicht herein, das jetzt rasch stärker wurde, oder schwächer, wie man es nahm. Dort drinnen war es jedenfalls sinnlos.
    »Erik!«
    Ringmars Stimme kam aus dem Innern der Wohnung. Winter verließ das Zimmer. Er konnte Ringmar nirgends entdecken. Wir kommen sowieso zu spät. Das Beste hat er sich bis zum Schluss aufgespart, der Scheißkerl.
    Winter folgte der Stimme. Der Flur schien unendlich, seine Nacktheit erweckte den Anschein, als wäre er mindestens fünfzig Meter lang. Je leerer, umso länger.
    »Die Gardine hängt noch«, sagte Ringmar. »Sonst gibt es nichts. Hier ist es.«
    Es klang kryptisch, aber Winter hatte verstanden. Einige Sekunden später war er selbst in dem Zimmer. Hier war es. Ein leeres Zimmer, keine Betten, Nachttische, Möbel, Bettzeug, Bücher, Zeitungen, Pokale. Nichts. Aber hier war es. Er stand an der Stelle, wo die Kamera gestanden hatte. Er war die Kamera. Er sah.
    »Es ist dieselbe Aussicht.« Ringmar wies mit dem Kopf zum Fenster.
    Die Gardinen waren absichtlich zurückgelassen worden. Wegen der Schatten, der Konturen. Aber Winter brauchte keinen vergleichenden Film, keine identischen Bilder. Jetzt hatte er das Bild. Da waren die Konturen der Baracken. Da waren die Balkone. Es stimmte genau überein. Es war perfekt. Das Einzige, was fehlte, war das muntere Signalhorn des Eisautos.
    »Was haben wir gesehen?«, sagte Ringmar.
    »Wie meinst du das?«
    »Auf dem Film. Falls es hier war. Es war hier. Aber was haben wir gesehen?«
    »Wir haben zwei Menschen gesehen, die in einem Bett lagen, das dort gestanden hat.« Winter zeigte auf die Stelle, wo es gestanden hatte. Es war wirklich. Es war kein Traum.
    »Warum?«
    »Warum was?«
    »Warum haben wir es gesehen?«, fragte Ringmar.
    Winter antwortete nicht.
    »Und wo sind sie jetzt?«
    Winter ging zum Fenster, ohne etwas zu berühren. Unten sah er Mings asiatisches Schild leuchten. Es leuchtete bordellrot. Sie würden heute Abend geöffnet haben, sie hatten immer geöffnet. Die Chinesen feierten ihr eigenes Neujahr.
    Er drehte sich zu Ringmar um.
    »Wir wissen, dass sie vor weniger als zwei Wochen hier waren«, sagte er.
    Ringmar nickte.
    »Er war hier.«
    »Jetzt ist niemand hier.«
    »Ich rufe Torsten an«, sagte Winter.
    »Er braucht nicht selber zu kommen.«
    »Das will er bestimmt.«
    Winter hatte das Handy noch nicht aus der Tasche genommen. Vor einer Weile hatte er ein Vibrieren gespürt. Er sah, dass es ein Anruf von Angela gewesen war. Das war okay. Für sie war es okay. Es ging nur um die Frage, ob er mit ihnen essen würde oder ob er etwas später allein essen wollte. Es kam ganz darauf an.
    »War es geplant, dass wir es jetzt entdecken sollten? Oder erst später?«, sagte er zu dem Fenster. Ein Mann betrat das Ming. Über Vasastan hatte sich der Abend gesenkt. Vier Uhr und schon Abend.
    »Kommt drauf an«, sagte Ringmar hinter ihm.
    »Er hat es sofort getan, nachdem er gefilmt hat«, sagte Winter.
    »Was getan?«
    »Sie umgebracht. Oder einen von ihnen.«
    »Dann hatte er aber alle Hände voll zu tun, die Wohnung leer zu räumen«, sagte Ringmar. »Erst recht, wenn er Leichen beseitigen musste.«
    »Dadurch wurde die Operation weder größer noch kleiner«, sagte Winter.
    »Jemand hätte den Umzug bemerken müssen«, sagte Ringmar.
    »Die Nachbarn.« Winter drehte sich um. »Oder die Bauarbeiter.«
    »Dort bekommen wir vielleicht ein paar Antworten.« Ringmar sah auf die Uhr. »Die Nachbarn haben hoffentlich noch nicht angefangen zu essen.«
    »Nur zu trinken«, sagte Winter.
    »Im Unterschied zu uns«, sagte Ringmar. Er schaute sich wieder im Zimmer um. »Ich bin erleichtert.«
    Winter antwortete nicht.
    »Bist du nicht auch erleichtert, Erik?«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Es muss doch dieses Zimmer sein.«
    »Das habe ich

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