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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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hielt er einen Packen Zeitungen. Er winkte.
    »Kennst du den?«, fragte Ringmar.
    »Ja.«
    »Dein Hoflieferant von Faktum .«
    Der Mann kam eilig auf sie zu. Er ging zur Beifahrerseite und Winter ließ die Scheibe herunter.
    »Sie arbeiten ja wohl dauernd«, sagte Tommy Näver.
    »Dasselbe kann ich von Ihnen behaupten«, antwortete Winter.
    Der Mann lachte auf. Er war nüchtern, heruntergekommen, aber nüchtern. Seine Augen waren klar.
    »Woher wissen Sie, dass wir arbeiten?«, fragte Winter.
    »Ach, so was hat man im Gefühl.« Tommy Näver nickte Ringmar zu. »Näver mein Name, Tommy Näver.«
    Ringmar nickte ebenfalls.
    »Ich mach bald Schluss«, sagte Näver. »In einer Stunde ist es hier ziemlich leer.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Winter.
    »Ich weiß es«, sagte Näver. »Ich weiß alles über diese Stelle. Ich weiß alles vom Zentrum. Ich sehe alles.«
    »Das haben Sie mir schon mal erzählt«, sagte Winter freundlich.
    »Ihre Kollegin ist hier gestern vorbeigekommen«, sagte Näver.
    »Meine was?«
    »Die Polizistin. Hübsches Ding. Sie hat mich Heiligabend gefahren.«
    »Ach?«
    »Ich war fertig hier und wollte zur Heilsarmee, und da haben sie mich mit dem Streifenwagen hingebracht, sie und der Junge. Er hat nicht viel gesagt. Aber sie ist nett.«
    »Wir sind alle nett«, sagte Ringmar.
    »Gestern ist sie hier vorbeigekommen«, fuhr Näver fort. »Sie war nicht in Uniform, aber ich hab sie natürlich trotzdem erkannt. Ich vergesse nie ein Gesicht. Direkt in die Kristinelundsgatan ist sie gegangen.« Näver nickte mit dem Kopf zur Kreuzung, wo die Kristinelundsgatan in westlicher Richtung von der Avenyn abzweigte. »Sie hat mich nicht gesehen. Ich hatte gerade einen Kunden. Und als ich ihr zuwinken wollte, war sie verschwunden.«
    »Stehen Sie immer an dieser Stelle?«, fragte Winter.
    »Immer. Hab ich das nicht schon mal gesagt? Hier stellt sich niemand anders hin, das ist mein Platz. Ich stehe hier seit einem Jahr.«
    »Sind Sie seit einem Jahr obdachlos?«, fragte Ringmar.
    Näver schaute über das Auto hinweg und dann wieder zu Boden, irgendwo zwischen Ringmar und Winter.
    »Länger«, sagte er. »Aber seit einem Jahr lebe ich ohne den verdammten Schnaps, nur einige wenige Rückfälle. Jetzt ist damit aber für immer Schluss.«
    »Stehen Sie hier jeden Tag?«, fragte Winter.
    »Na klar. Das ist doch verdammt noch mal mein Job. Was sollte ich denn sonst tun?«
    »Sie haben gesagt, dass Sie alles unter Kontrolle haben«, sagte Winter. »Haben Sie auch unter Kontrolle, wo das Eisauto hält?«
    »Das Eisauto?«
    »Hem-Eis. Hören Sie es hier in der Nähe, wenn es kommt?«
    »Und ob ich das höre. Gleich dahinten.« Er wedelte mit der freien Hand in Richtung Kreuzung. »Ich weiß genau, wo es hält. Bei Ming. Von hier aus kann ich es manchmal sehen.«
    »Ming?«
    »Der Chinese«, sagte Näver. »Teatergatan, an der Ecke da hinten. Wieso fragen Sie?«
    »Es müsste eigentlich weiter oben sein«, sagte Ringmar.
    »Was wissen Sie denn davon?« Näver sah ihn an.
    Winter war schon aus dem Auto gestiegen und lief die Straße hinauf. Hierher waren sie unterwegs gewesen, der nächste Halt der Route, aber jetzt spürte er das Feuer im Körper, einen brennenden Schmerz über der Kopfhaut. All das Vertraute, wenn er es wusste , wenn er wusste , ohne zu wissen. Hinter sich hörte er das Auto. Ringmar fuhr an ihm vorbei. Er parkte vor dem Haus an der rechten Seite, an der Kreuzung von Teatergatan und Kristinelund. HDK auf der anderen Seite der Kreuzung. Das Haus rechts. Im Erdgeschoss Skandia France. Fotos von Wohnungen in der Sonne, weiß verputzte Fassaden. Jetzt war Winter bei Ming angekommen. Der alte Chinese hatte im Lauf der Jahre vielen Polizisten des Reviers von Lorensberg das Leben gerettet. Winter stand vor dem Eingang. Er sah das Haus auf der anderen Seite der Kristinelundsgatan, er hatte es tausend Mal gesehen, ohne es zu sehen. Bauhausstil, kein Zweifel. Er richtete den Blick auf die andere Straßenseite. Jetzt sah er die Container, die er schon im Laufen wahrgenommen hatte, Klotz auf Klotz, Container eben, aber mit Lufteinlässen, Fenstern, wenn man so wollte, genau genommen Baracken für Arbeiter. Ringmar war inzwischen ausgestiegen und zeigte über die Straße. Winter nickte. Weder der Hinweis noch das Nicken waren nötig. Winter schaute nach oben. Unmittelbar über der obersten Baracke waren Fenster. Mehrere Fenster. Im dritten Stock. Er überquerte die Straße. An der Ecke lag das alte Antiquaria.

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