Der letzte Winter
verrückt.
»Sind Sie politisch interessiert, Herr Lentner?«
»Wie bitte?«
»Ob Sie sich für Politik interessieren.«
»Was hat das denn mit dieser Sache zu tun?«
»Welcher Sache?«
»Was?«
»An welche Sache denken Sie?«
Lentner antwortete nicht. Sein Blick glitt über Edlunds Kopf hinweg. Da oben gab es nichts. Dann schaute er wieder Edlund an. Er sah nicht mehr ganz so hochnäsig aus.
»Nach einer Viertelstunde habe ich abgeschaltet und eine Platte aufgelegt«, sagte er.
»Was hat Gloria während der Zeit getan?«
»Ich glaube, sie hat gelesen.«
»Wo?«
»Wie – wo?«
»Wo hat sie gelesen?«
»Im … Bett. Im Schlafzimmer.«
»Wo waren Sie, während Sie die Platte hörten?«
»Im großen Zimmer. Im größten Zimmer. Dort befindet sich unsere Musikanlage.«
Haben die Techniker von der Spurensicherung den CD -Spieler untersucht?, dachte Edlund. Klar haben sie. Andernfalls mussten sie es nachholen. Aber sie hatten es getan. Edlund schaute auf die Uhr. Wahrscheinlich waren sie noch dort. Es gab viel zu tun.
»Was haben Sie aufgelegt?«
»Was?«
»Was haben Sie gehört?«
»Spielt das eine Rolle?«
Edlund antwortete nicht.
»Okay. Mark Knopfler. Ist das ein Vergehen?«
Soll das ein Scherz sein?, dachte Edlund. Und ist Mark Knopfler ein Scherz? Dire Straits. Die hab ich mir auch reingezogen. »Sultans of Swing«.
»Manche halten es vielleicht für ein Vergehen, sich Knopfler anzuhören«, fuhr Lentner fort. »Vor allen Dingen, wenn man noch keine fünfzig ist.«
»Sie haben gestern Abend also Mark Knopfler gehört?«
»Ich wünschte, es wäre Jazz gewesen«, sagte Lentner und warf einen Blick auf das Tonbandgerät auf dem Tisch. »Das hätte jetzt einen besseren Eindruck gemacht.«
Der Mann hat wohl doch einen an der Klatsche. Oder er steht unter Schock.
»Wie lange haben Sie Musik gehört?«
»Ich habe nicht auf die Uhr gesehen. Bis zehn vielleicht. Ungefähr zehn.«
»Was hat Gloria gemacht?«
»Sie hat gelesen. Das habe ich doch schon gesagt.«
»Was geschah nach zehn?«
»Wie meinen Sie das?«
»Erzählen Sie, was Sie getan haben, nachdem Sie keine Musik mehr hörten.«
»Ich bin ins Bad gegangen und habe mich gewaschen. Ich habe auch gepinkelt, falls Sie das wissen wollen. Dann bin ich ins Schlafzimmer gegangen, und danach ging Gloria ins Bad.«
Edlund nickte.
»Und dann kam sie zurück und wir haben das Licht ausgeknipst.«
»Direkt? Haben Sie es sofort ausgemacht?«
»Ziemlich bald. Ich habe wohl noch ein bisschen gelesen.«
»Was haben Sie gelesen?«
»Ein Buch.«
»Welches von denen, die auf Ihrem Nachttisch lagen?«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Beantworten Sie nur meine Frage.«
»Das wird genauso peinlich wie das mit der Musik.«
»Was ist denn so peinlich daran?«
»Weil es meinen schlechten Geschmack verrät.«
»Ist das Ihr größtes Problem, Herr Lentner?«
»Was?«
»Ist Ihnen Ihr Geschmack am wichtigsten?«
»Nein … nein, nein.«
»Was war es also für ein Buch?«
»Ein Krimi, ein ziemlich schlechter, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Wie heißt er?«
»Tot … irgendwas. Ich kann mich nicht an den Titel erinnern. Das kann ich nie. Aber die Autorin heißt Eva Petreus.«
Edlund nickte.
»Haben Sie schon einmal etwas von ihr gelesen?«
»Was hat Gloria gelesen?«, fragte Edlund, ohne zu antworten.
»Was? Ach so … das weiß ich nicht, doch, was Amerikanisches … über New York. So ein Mädchenbuch.«
»Was ist denn ein Mädchenbuch?«
»Über Mädchen in New York. Relationen oder wie man so sagt. Car… Carpenter, übrigens. Die Autorin heißt Carpenter. Sie … wir haben kürzlich über sie gesprochen.«
»Warum?«
»Das hab ich vergessen … Ich glaube, ich habe gesagt, das bedeutet Tischler. Irgend so was in die Richtung. Ein Tischler, der über den Jetset in New York schreibt.«
»Wann haben Sie das Licht ausgemacht?«
»Ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Ich ha… ich habe heute ja frei. Aber ich war trotzdem müde.«
Lentner sah sich um, als ginge ihm erst jetzt auf, dass er seinen freien Tag hier verbringen würde, im Untersuchungsgefängnis. Er sah Edlund wieder an.
»Vielleicht um elf. Gegen elf haben wir das Licht ausgemacht.«
»Wann hat Gloria es ausgemacht?«
»Gleichzeitig, wir haben beide das Licht ausgeknipst.«
»Und dann?«
»Ich verstehe Ihre Frage nicht.«
»Wann sind Sie eingeschlafen?«
»Vermutlich ziemlich bald.«
»Hat einer von Ihnen Schlafmittel genommen?«
»Nein.«
»Sind
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