Der letzte Winter
Sie sicher?«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Woher wissen Sie, dass Gloria kein Schlafmittel genommen hat?«
»Weil sie nie etwas nimmt. Sie mag keine Tabletten. Sie nimmt nur welche, wenn es absolut nötig ist. Und dann nur etwas Fiebersenkendes.«
»Hat sie einen guten Schlaf?«
»Äh … ja. Sie schläft fast immer gut.«
»Wann nimmt sie Schlafmittel?«
»Fast nie.«
»Wann hat sie es getan?«
»Warum stellen Sie all diese Fragen?«
»Wann hat sie zuletzt ein Schlafmittel genommen?«
»Das … weiß ich nicht. Es muss Monate her sein. Ich glaube nicht einmal, dass wir was im Haus haben.« Lentner strich sich über die Haare. Sie waren halblang, eine lange Tolle, die ihm in die Stirn fiel. Er strich sie zurück. »Nein, wir haben nichts im Haus.« Sein Gesicht sah plötzlich angespannt aus, als hätte ihn etwas geweckt, das noch schlimmer war. »Wie habe ich nur schlafen können, als es passierte?«
6
B ent Mogens kam in die Kaffeeküche und ging zur Kaffeemaschine. Er drehte sich zu Edlund um.
»Früher gab es auch Kakao«, sagte er.
»Magst du Kakao lieber?«
»Nein.«
Edlund lächelte.
»Dir scheint das Lächeln weh zu tun.«
»Ich bin müde.«
»Schlafprobleme?«
»Eher Probleme mit unseren Verdächtigen.«
»Warum gestehen sie nicht einfach?«
»Das frage ich mich auch. Und sie natürlich.«
Edlund rührte in der Tasse. Er war steif. Es war nicht gesund, stundenlang konzentriert dazusitzen und zuzuhören. Jemandem Worte aus der Nase zu ziehen. Und die Pausen dazwischen. Manchmal waren die Worte nicht so wichtig, es waren die Pausen. Miles Davis hatte gesagt, nicht die Töne seien wichtig, sondern die Pausen dazwischen. Keine weiteren Vergleiche mit Lentner oder Mark Knopfler.
Lentner und Barkner waren am Samstag, als der Bericht über die Punktblutung von Pia Fröberg vorlag, in Untersuchungshaft genommen worden.
»An dem hab ich mir gestern die Zähne ausgebissen«, sagte Edlund. »Lentner. Irgendwie hart, der Typ. Konzentriert, als beobachte er.«
»Was meinst du damit?«
»Ich weiß nicht, was es ist.«
»Wäre es besser, er würde zusammenbrechen?«
»Besser, zusammenzubrechen? Was soll das?«
»Lass deinen Frust nicht an mir aus, Sverker.«
Edlund stand auf. Vor dem Fenster sah er ein Stück von der Skånegatan und dem Katrinlundsgymnasium. Es würde ein schöner Tag werden. Im Südosten kletterte die Sonne über die Berge. Vielleicht war sie im Augenblick in Mölnlycke. Er schaute auf die Uhr. Ja. Bald in Pixbo. Ein goldener Schimmer über dem Stensjön. Ein Goldrand um das Dasein. Hin und wieder brauchen wir alle einen kleinen Goldrand. Guter Kaffee würde schon reichen, aber nicht mal den kriegt man hier.
»Er zeigt keine Reue«, sagte Edlund.
Mogens trat ans Fenster und stellte sich neben ihn.
»Es ist, als wäre er gar nicht … dort gewesen.«
»Ich habe gestern Abend die Verhörprotokolle gelesen«, sagte Mogens. »Er sagt ja, dass er nicht da war. Wenn er damit meint, dass er geschlafen hat.«
»Genau wie bei dem anderen.« Edlund drehte sich zu seinem Chef um. »Martin Barkner hat auch geschlafen. Er hat nichts bemerkt. Verglichen mit Lentner ist er anders. Er bricht leichter zusammen. Er bricht ständig zusammen. Aber er sagt nichts. Er gesteht nichts. Er weiß nichts.«
»Was hältst du davon?«
»Wovon?«
»Dass keiner von beiden gesteht.«
»Eine Erklärung könnte sein, dass sie es nicht getan haben.«
»Glaubst du das?«
Edlund antwortete nicht. Er sah einige Gymnasiasten die breite Straße bei Rot überqueren. Ein Autofahrer hupte. Ein Junge zeigte ihm den Stinkefinger. Die Hupe brüllte wieder. Es war ein lautes, durchdringendes Geräusch, das bis zu ihm drang, wo er stand, mehrere Hundert Meter entfernt vom Geschehen, hinter dem Panzerglas des Präsidiums. Das lag vielleicht an dem schönen Morgen. Der klaren, frischen und durchsichtigen Luft. So war es den ganzen Herbst über gewesen, bis in den November und Dezember hinein. Vielleicht zeigte der Treibhauseffekt endlich einen Effekt. Aber dann würde es doch nicht so kalt sein?
»Ich habe gestern Abend mit Öberg gesprochen«, sagte Mogens. »Lentners Fingerabdrücke sind überall. Und ihre auch. Aber keine anderen.«
»Nein.«
»Bei dem anderen Mord ist es komplizierter. Sie haben keine verwendbaren Fingerabdrücke auf dem Kissen gefunden. Im Großen und Ganzen gesehen, ist es unmöglich, solche Spuren auf Stoff nachzuweisen. Aber die Frau ist aller Wahrscheinlichkeit nach
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