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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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die Zeit auf unserer Seite, das weißt du auch.«
    »Ich bin so ungeduldig«, sagte Winter. »Jahr für Jahr werde ich ungeduldiger. Dabei habe ich das Gegenteil erwartet. Abwarten fällt mir immer schwerer. Den Job erledigen und warten. Dieser ganze verdammte Routinekram. Immer wieder von vorn. Langsam, Schritt für Schritt. Es muss ja gemacht werden, aber ich werde ungeduldig. Ich möchte Abkürzungen finden. Gib mir Abkürzungen, Mann.«
    Bent Mogens sah von seinem Schreibtisch auf. Die Tür zum Flur stand offen. Die Besucherin hatte leise angeklopft. Er erkannte sie nicht.
    »Kommen Sie herein«, sagte er.
    Sie näherte sich seinem Schreibtisch.
    »Ich kann mich nicht an Ihren Namen erinnern«, sagte er.
    »Hoffner. Gerda Hoffner. Wir sind …«
    »Ah ja, jetzt fällt es mir wieder ein«, unterbrach Mogens sie. »Ich bin mit Ihnen gefahren. Bitte, setzen Sie sich.«
    Sie ließ sich auf dem Zwischending von Stuhl und Sessel nieder, das Mogens in seinem Büro installiert hatte. Es sah aus wie eigenes Design. Vielleicht dänisches Design, dachte sie. Falls er Däne ist. Er hat keinen Akzent, aber das habe ich auch nicht.
    »Womit kann ich Ihnen helfen?«, fragte Mogens.
    »Es geht … um diese Morde«, antwortete sie. »Wenn es Morde sind. In den beiden Wohnungen.«
    »Ja?«
    »Ich bin offensichtlich die Einzige, die an beiden Tatorten war. Jedes Mal mit einem anderen Kollegen … Es waren auch unterschiedliche Leute von der Spurensicherung da. Und verschiedene Gerichtsmediziner.«
    »Und unterschiedliche Kommissare«, sagte Mogens.
    »Ja … Ich … ich weiß nicht, wie ich das formulieren soll. Aber ich habe über einiges nachgedacht, was damit zusammenhängt.«
    »Was zum Beispiel?«
    Sie erzählte. Von den Bildern, den Büchern, den Weinflaschen und den Gläsern. Fand selber, dass es sonderbar klang, wirr. Als sei sie eine Amateurfahnderin, die der Polizei auf die Sprünge helfen will, weil die Idioten nicht selber draufkommen. Sie bereute es. Sie blamierte sich.
    »Vielleicht bedeutet es ja gar nichts«, schloss sie ihren Bericht. »Aber … ich dachte, ich sollte es nicht für mich behalten.«
    Mogens nickte. Er hatte keinerlei Reaktion gezeigt, während sie erzählte, jedenfalls hatte sie nichts bemerkt. Keine Belustigung in seiner Miene. Aber er war es ja gewohnt, mit Bekloppten zu reden. Streng genommen war das sein Job.
    »Das ist also das … worüber ich nachgedacht habe«, fuhr sie fort. Himmel, was quatsche ich da. So ist es wahrscheinlich, wenn man verhört oder interviewt wird. Wenn der Verhörleiter gut ist, kommt man ins Schwatzen.
    Mogens nickte.
    Nun sag schon was, dachte sie.
    »Interessant«, sagte er. Ihm war nicht anzusehen, ob es ein Scherz war.
    Er stand auf und ging zu dem Aktenschrank links von der Tür. Sie sah es, ohne sich umdrehen zu müssen. Er öffnete den Schrank, zog eine Schublade heraus und nahm eine Mappe hervor. Ein Aktenschrank, dachte sie, dass es so etwas noch gibt. Und dann auch noch aus Blech. Das ist gut. Es muss nicht alles im Computer gespeichert sein. Mogens kehrte mit der Mappe an den Tisch zurück, setzte sich und öffnete sie. Gerda Hoffner sah Dokumente, Papiere und Fotos. Er hielt ein Foto hoch und studierte es, legte es wieder hin und nahm ein anderes in die Hand, um es zu betrachten. Er schaute auf.
    »Ich sehe die Bücher«, sagte er. »Sie wirken tatsächlich außergewöhnlich pedantisch ausgerichtet.«
    Himmel, nimmt er es wirklich ernst, dachte sie und nickte wortlos.
    »Zu den Bildern kann ich nichts sagen, das kann man nicht genau erkennen.«
    »Nein.«
    »Hm.« Mogens betrachtete immer noch die Fotos. »Ich weiß nicht.« Er schaute auf. »Was meinen Sie, was wir tun sollen?«
    Die Frage überraschte sie.
    »Ich … ich weiß es nicht. Es … ich konnte einfach nicht aufhören, daran zu denken.«
    Er nickte.
    »Was sagen die Männer?«, fragte sie. »Beim Verhör?«
    »Worüber?«
    Wieder fühlte sie sich sehr unwohl in ihrer Haut. Was für eine anmaßende Frage!
    »Allgemein …«
    »Sie meinen, ob sie gestanden haben?«
    »Ja.«
    »Nein, und das erstaunt mich, aufrichtig gesagt.« Er schaute wieder auf das Foto, das er in der Hand hielt. »Sie sollten eigentlich gestehen. Nach alldem.«
    Sie wusste nicht, welches Bild er in der Hand hielt, das blutige oder das saubere. Aber das spielte keine Rolle.
    »Sie sollten wirklich gestehen«, wiederholte Mogens langsam wie in Gedanken. Er sah wieder auf. »Tausend Dank, Frau Hoffner.« Er erhob sich.

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