Der letzte Winter
in einem der Lokale gewesen?«, fragte Johnny.
»Soll das ein Witz sein?«
»Ja.«
»Du etwa?«
»Erst wenn ich im Lotto gewinne.«
»Würdest du das Geld dann im Restaurant auf den Kopf hauen?«, fragte sie.
»Nein, ich würde mir ein Haus am Meer kaufen.« Er lächelte, trommelte auf das Steuer. »Das kostet vermutlich ungefähr genauso viel wie der Restaurantbesuch.«
Sie kamen an der Haustür vorbei. Gerda Hoffner schaute nicht an der Fassade hinauf. Da oben war alles unverändert, wie sie es beim ersten Mal vorgefunden hatten. Nur die Körper waren nicht mehr da, der tote und der lebendige. Sie war die Erste gewesen. Sie war noch einmal zurückgekehrt mit Erik Winter. Was hatte er entdeckt? Was hatten die Männer von der Spurensuche gefunden? Sie hatte nichts mehr von ihm gehört, nur dass die jungen Männer aus der Untersuchungshaft entlassen waren. Die Verdachtsmomente waren zu gering.
»Die Jungs sind wieder auf freiem Fuß«, sagte Johnny.
Sie nickte schweigend.
»Scheiße, und ich hab geglaubt, er hätte es getan.«
»Wer?«
»Der, den wir dort angetroffen haben natürlich. Mattias oder wie der hieß.«
»Martin.«
»Hab geglaubt, er wär’s gewesen.«
»Das ist immer noch möglich.«
»Glaub ich nicht.«
Johnny drehte in der Vasagatan um, fuhr zurück. Sie kamen wieder an dem Haus vorbei. Die Sonne tauchte die oberen Stockwerke in Gold. Alle Details waren sehr scharf zu erkennen.
»Wie war es, da noch mal reinzugehen?« Er deutete mit dem Kopf auf die Fassade.
»Unheimlich.«
»Heute Abend wird es ruhiger.«
»Hoffentlich.«
Er lachte auf.
»Was gibt’s denn da zu lachen?«, fragte sie.
»Ich glaub nicht, dass wir es heute Abend mit mystischen Morden zu tun kriegen«, sagte er.
»Nur mit gewöhnlichen, meinst du, wo alles sonnenklar ist?«
»Nicht mal das, Gerda.«
»Was kriegen wir denn?«
»Tja … jedenfalls keine Weihnachtsgeschenke. So beliebt sind wir nicht.« Er drehte sich zu ihr. »Hast du ein Weihnachtsgeschenk bekommen?«
»Warum fragst du?«
»Nur so.«
»Du weißt, dass ich allein lebe.«
»Man kann aber doch trotzdem etwas zu Weihnachten bekommen?«
»Hast du denn selbst etwas bekommen?«
»Äh … ja, meine Freundin hat mir tatsächlich was geschenkt.«
»Und was?«
»Ein Hemd. Ein schickes Hemd. Boomerang. Und eine neue CD von Eminem, nicht so eine gratis Runtergeladene.«
»Nein, darüber würde man sich wohl nicht besonders freuen, oder?«
»Da hast du recht!«
Er war jetzt in die Chalmersgatan eingebogen. Sie fuhren an dem geschlossenen Polizeirevier vorbei. Man konnte nicht mehr erkennen, dass dort einmal die Polizei stationiert gewesen war. Sollten denn gar keine Spuren von den Bevollmächtigten der Gesellschaft bleiben? Wenigstens ein Plakat.
Sie kamen an der Haustür vorbei. Der ersten Haustür. Johnny warf einen Blick in die Richtung.
»Also, da möchte man lieber nicht mehr rein.«
In dem Augenblick kam ein Mann aus dem Haus. Er trug einen kurzen Mantel, der teuer wirkte, und eine Sonnenbrille. Er sah sich um und setzte sich in nördliche Richtung in Bewegung. Dann verschwand er um eine Ecke. Sie dachte an das Licht unter der Tür im dunklen Treppenhaus, als die Beleuchtung ausging. Die Nachbartür. Ihr hatte das Licht nicht gefallen, es war bedrohlicher als die Dunkelheit gewesen.
Johnny war wieder abgebogen. Jetzt rollten sie durch die Avenyn. Noch immer waren Leute unterwegs. Die Geschäfte waren doch längst geschlossen?
Fünf Meter vom Streifenwagen entfernt winkte ein Mann. Er wollte gerade die Straße überqueren, war jedoch stehen geblieben, als er sie entdeckte. Er winkte ihnen zu.
»Der Schmierlappen will was«, sagte Johnny.
»Nenn ihn nicht so. Er heißt Tommy.«
»Kennst du den?«
Sie antwortete nicht. Tommy Näver trat ans Auto. Sie ließ die Scheibe herunter. Er hatte einen Packen Faktum unter dem Arm. Sie wurde traurig, als sie ihn sah. Das Gefühl überkam sie einfach so. Als wäre sie jemand, der sich ein allzu schweres Gewissen aufladen musste.
»Ich kenn Sie!«, sagte er.
Sie nickte.
»Ich sehe alles, das hab ich ja gesagt. Ich erkenne jeden wieder. Beim letzten Mal haben Sie keine Uniform getragen, aber ich hab Sie sofort erkannt.«
»Nicht schlecht«, sagte sie.
Er war nüchtern, jedenfalls schien es so. Er hat sich bis zum letzten Moment beherrscht. Versucht, Heiligabend so lange aufzuschieben, wie es geht. Genau wie ich.
»Wohin wollen Sie?«, fragte sie.
»Äh … na ja … zur Heilsarmee. Da
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