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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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und keinen Tag zu früh. Aber dann wäre es vorbei. Noch durfte es nicht vorbei sein, noch nicht ganz. Lass es noch zwanzig Jahre so weitergehen.
    Er stand auf, ging auf die Toilette, schluchzte auf, als der Strahl das Wasser im Toilettenbecken traf. Er spülte, wusch sich die Hände und ging in die Küche. Dort duftete es nach Gewürzen und Speisen, ein süßer Duft, ein wenig schwer. Gestern hatte er noch ein Kilo Rippchen gegrillt, wie aus Scham über den weggelassenen Schinken, ein fleischliches Begehren in der elften Stunde. Im Kühlschrank glänzten die Rippchen neben den verschieden eingelegten Heringen und dem Rote-Bete-Salat. Er nahm ein Mineralwasser heraus und trank direkt aus der Flasche. Es schmeckte nach Salzwasser, nach Meer. Er bekam etwas in die falsche Kehle, hustete, schnappte nach Luft, hustete wieder, es fühlte sich an, als stünde ihm das Wasser bis über den Kopf. Tränen schossen ihm in die Augen, sie waren salzig wie das Meer. Herrje, ich kann nicht einmal Wasser trinken wie ein normaler Mensch. Das kommt von diesem verdammten Traum. Der muss weg.
    Er hörte Angela hinter sich.
    »Soll ich dir auf den Rücken klopfen?«
    »Nein, es ist schon vorbei.«
    »Elsa fragt, was los ist.«
    »Das war nur ich.«
    »Ich habe es ihr gesagt.«
    »Gut.«
    »Ich glaube, sie ist schon wieder eingeschlafen.«
    »Gut.«
    »Sie hat mir erzählt, dass morgen Heiligabend ist.«
    »Ist sie plötzlich debil geworden?«
    »Es war nur ein Spaß. Sie hat so getan, als wäre sie Lilly.«
    »Gut.«
    »Wollen wir wieder ins Bett gehen?«
    »Gleich.«
    »Was willst du denn machen?«
    »Mich beruhigen.«
    »Wenn du länger aufbleibst, kannst du nachher gar nicht wieder einschlafen.«
    »Mach dir keine Sorgen.«
    Er stellte die leere Flasche, die er offenbar während des ganzen Hustenanfalls in der Hand behalten hatte, auf die Arbeitsplatte.
    »Bleibst du ein Weilchen bei mir?«
    »Gern.«
    »Wir setzen uns aufs Sofa.«
    Sie gingen ins Wohnzimmer. Durch das Fenster in der Balkontür sah er den Himmel. Es waren derselbe Mond und dieselben Sterne wie in Billdal und Hovås. Er öffnete die Tür. Die Luft war so frisch, wie sie drei Stockwerke über dem Vasaplatsen eben sein konnte. Er erwog, sich einen Corps anzustecken, ließ es aber.
    »Ich habe schon seit drei Tagen nicht mehr geraucht«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
    »Ich weiß.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Du siehst gesünder aus, Erik.«
    »Ich weiß.« Er drehte sich um. »Sie haben Angst. Vor irgendetwas haben sie Angst.«
    Sie schwieg und wartete auf seine Erklärung.
    »Ich weiß nichts Genaues«, fuhr er fort, »aber wir haben es hier mit verdammt großer Angst zu tun.«
    »Vor wem? Wovor?«
    »Das weiß ich eben nicht. Ich habe … selber Angst.«
    »Wovor?«
    »Das … weiß ich auch nicht.«
    »Geht es um diese jungen Männer? Die verdächtigt wurden?«
    »Die Verhörleiter im Ermittlungsdezernat hatten den Eindruck, dass sie sich vor etwas fürchten. Wir sind noch nicht herangekommen. Da ist etwas, das sie nicht sagen wollen. Vielleicht sind auch noch mehr Personen in den Fall verwickelt.«
    »An wen denkst du?«
    »Zum Beispiel an die Eltern.«
    »Meinst du, sie wissen mehr, als sie sagen, Erik?«
    »Vielleicht.«
    »Könnte einer von ihnen sogar schuldig sein?«
    »Wir haben DNA -Proben von allen. Aber es ist nicht leicht, Schuld nachzuweisen, selbst wenn wir Spuren von ihnen in der Wohnung finden. Die Eltern haben einen Schlüssel zu den Wohnungen ihrer Kinder.«
    »Sind sie denn dort gewesen?«
    »Ich will mit der Befragung abwarten.«
    »Warum?«
    »Das weiß ich noch nicht.« Er drehte sich um. »Ich warte eben ab. Ich warte auf mehr.«
    »Was sollte das sein?«
    »Das weiß ich, wenn ich es sehe.«
    »Klingt irgendwie unheimlich, Erik.«
    Er schwieg. Es war unheimlich. Er wollte es nicht aussprechen, nicht hier, nicht zu Hause. Er wollte das alles nicht in seiner Wohnung haben. Es war falsch, dass er angefangen hatte, mit Angela darüber zu sprechen. Er befand sich noch immer in den Ausläufern seines Traumes, nackt, schutzlos. Und deswegen hatte er ihr von seiner Angst erzählt. Alleinsein tat ihm nicht gut.
    »Wenn wir schon über deinen Job reden«, sagte Angela. »Habt ihr mehr über den Mann herausgefunden, der … an unserem Strand angetrieben wurde?«
    »Nein, die Sache ist noch genauso mysteriös wie vorher.«
    »Warum war er wie zu einer Beerdigung gekleidet? Der weiße Schlips?«
    »Vielleicht steckt eine Symbolik darin. Oder es

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