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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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gibt’s was Gutes zu essen. Ich habe mich ein bisschen verspätet.«
    »Sollen wir Sie hinfahren?«
    Johnny neben ihr zuckte zusammen und warf ihr einen Blick zu, schwieg aber.
    »Nee … nicht nötig«, sagte Tommy Näver. »Es ist ja nicht weit.«
    »Steigen Sie ein«, sagte sie. »Wir haben sowieso nichts vor.«
    »Wenn das so ist … okay.«
    Er setzte sich auf den Rücksitz und schloss die Autotür. Johnny machte mitten auf der Avenyn einen U-Turn.
    »Eigentlich wollte ich Weihnachten mit meinem Sohn feiern«, sagte Johnny. »Aber seine Mutter hat einen Last-Minute-Flug zu den Kanarischen Inseln ergattert.«
    »Das tut mir leid für Sie«, sagte sie.
    »Aber für die beiden ist es gut. Sie ist mir egal, aber dem Jungen gefällt es bestimmt in der Sonne. Außerdem hat er heute Geburtstag. Vielleicht findet er ein paar Kumpels, mit denen er Fußball am Strand spielen kann.«
    »Sind Sie schon mal da gewesen?«, fragte sie.
    »Auf den Kanaren? Ja, aber das ist schon lange her«, antwortete er. Ein paar Sekunden später fügte er leiser hinzu: »In einem anderen Leben.«
    Sie fuhren über den Kungsportsplatsen.
    Sie sah den Mann im Mantel am Pocketshop vorbeigehen. Er trug immer noch die Sonnenbrille. Der Mann war allein auf dem Gehweg. Er bog zum Hotel Avalon ab. Inzwischen hatte sich die Dämmerung über die Stadt gesenkt. Die verschiedenfarbigen Lampen an der Hotelfassade wirkten festlich, das Gebäude erstrahlte wie ein Christbaum.
    Jetzt fuhr Johnny Eilig am Brunnspark vorbei. Bei den Bänken krakeelte eine Gruppe Schnapsdrosseln, sie griffen nacheinander, torkelten zwischen den Bäumen herum. Zwei Männer hoben Flaschen und prosteten dem Streifenwagen ein »Fröhliches Weihnachten« zu.
    »Scheiße«, sagte Tommy Näver.
    Ein Paar sah aus, als ob es tanzte. Die Frau hob einen Arm und drehte sich halb um die eigene Achse, wie beim Flamenco. Vielleicht war sie in Spanien im Urlaub gewesen, in einem anderen Leben. Gerda Hoffner sah jetzt auch einige Weihnachtsmannbärte und rote Zipfelmützen.
    Johnny lenkte den Streifenwagen in die alte Nordstan, kreuzte durch ein paar schmale Straßen und hielt vor dem Übernachtungsheim der Heilsarmee.
    Tommy Näver öffnete die hintere Autotür.
    »Vielen Dank«, sagte er.
    »Ist schon in Ordnung«, sagte Johnny Eilig. Das waren die ersten Worte, die er an Tommy richtete. »Frohe Weihnachten.«
    »Er kann ja reden!« Tommy lächelte. »Frohe Weihnachten.«
    Er stieg aus und betrat, die Zeitungen unter dem Arm, das Gebäude. Jemand kam heraus, der seine Weihnachtsmahlzeit schon eingenommen hatte. Hoffentlich ist noch was für Tommy übrig, dachte sie.
    Gemäß der Familientradition lagen alle Pakete unter dem Tannenbaum. Es waren viele Pakete. Elsa und Lilly konnten ihre Blicke gar nicht losreißen. Bim und Kristina übrigens auch nicht, oder Lotta, Winter oder Angela, nicht einmal Siv.
    »Es ist das Fest der Kinder«, sagte sie. »Mir sind Weihnachtsgeschenke egal.«
    »Ach?«, sagte ihr Sohn.
    Sie saßen in der Küche bei einer Tasse Espresso. Winter fühlte sich matt nach dem Essen, einigen Schnäpsen und Donald Duck.
    »Manche verzichten auf Weihnachtsgeschenke«, sagte sie. »Jedenfalls Erwachsene.«
    »Warum?«
    »Wie meinst du das, Erik?«
    »Warum sollen Erwachsene auf Weihnachtsgeschenke verzichten?«
    »Weil es unnötig ist. Es ist doch das Fest der Kinder. Weihnachten ist das größte Fest der Kinder.«
    »Es ist ebenso sehr mein Fest. Ich bin schließlich selber mal Kind gewesen, oder? Ich möchte auch ein Geschenk haben. Und wenn nicht ich, dann eben das Kind in mir. Das möchte Weihnachtsgeschenke haben.«
    Sie sah ihn an.
    »Hast du noch einen Extra-Schnaps nach dem Essen getrunken, Erik?«
    »Keinesfalls. Ich möchte nur wissen, warum man Heiligabend auf Geschenke verzichten soll, ganz gleich, wie alt man ist. Das ist doch ein albernes Prinzip. Die Erwachsenen können das ganze Jahr darauf pfeifen, sich was zu schenken, aber Heiligabend muss es für alle Weihnachtsgeschenke geben. Jedenfalls in diesem Haus.«
    »Ich habe es gehört, mein Junge.«
    So, nun war es heraus. Den Gedanken hatte er, bevor er ihn aussprach, noch nie gedacht. Aber offenbar war er der Ansicht. Oder zumindest das Kind in ihm.
    »Vielleicht entfernt man sich ein bisschen von den Traditionen, wenn man im Ausland lebt«, sagte sie.
    Er blieb stumm. Er war nie Teil dieser Traditionen gewesen oder der Abwesenheit von Traditionen. Seine Eltern hatten ein Haus an der spanischen Südküste

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