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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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so.«
    Der Hexer überlegte eine Weile. »Ein Punkt für dich, Caldemeyn. Na gut, riskieren wir eine Begegnung mit Meister Irion. Gehen wir?«
    »Gehen wir. Nasstein, jag das Kindervolk weg und nimm das Langohr beim Strick. Wo ist meine Mütze?«

II
    Der Turm, aus glatt behauenen Granitblöcken erbaut und zinnengekrönt, präsentierte sich imposant und ragte hoch über die bröckelnden Dachziegel der Häuser und die rissigen Holzschindeln der Hütten.
    »Wie ich sehe, hat er ihn renoviert«, bemerkte Geralt. »Mit Zaubersprüchen, oder hat er euch zur Arbeit angestellt?«
    »Größtenteils mit Zauberei.«
    »Wie ist er so, euer Irion?«
    »Anständig. Er hilft den Leuten. Aber menschenscheu und mürrisch. Er kommt fast nie aus dem Turm.«
    An der mit einer Intarsienrosette von hellem Holz geschmückten Tür hing ein riesiger Klopfer in Form eines flachen, glotzäugigen Fischkopfes, der im zahnbesetzten Maul einen Messingring hielt. Caldemeyn, der offensichtlich mit der Funktion des Mechanismus vertraut war, trat heran, räusperte sich und rezitierte: »Seinen Gruß entbietet der Schulze Caldemeyn, der in einer Angelegenheit zu Meister Irion kommt. Mit ihm entbietet den Gruß der Hexer Geralt von Riva, in derselben Angelegenheit hier.«
    Längere Zeit tat sich nichts, endlich bewegte der Fisch die gezähnten Kiefer und stieß ein Dampfwölkchen aus. »Meister Irion empfängt nicht. Geht wieder, ihr guten Leute.«
    Caldemeyn trat von einem Fuß auf den anderen und schaute auf Geralt. Der Hexer zuckte mit den Schultern. Nasstein bohrte nachdenklich und ernst in der Nase.
    »Meister Irion empfängt nicht«, wiederholte der Türklopfer metallisch. »Geht wieder, ihr guten . . .«
    »Ich bin kein guter Mensch«, unterbrach ihn Geralt laut. »Ich bin Hexer. Das da auf dem Esel ist eine Kikimora, die ich sehr nahe vorm Städtchen getötet habe. Es ist die Pflicht eines jeden ortsansässigen Zauberers, für die Sicherheit der Umgebung zu sorgen. Meister Irion braucht mich keines Gesprächs zu würdigen, er braucht mich nicht zu empfangen, wenn er nicht will. Aber die Kikimora soll er sich ansehen und Schlussfolgerungen ziehen. Nasstein, binde die Kikimora los und wirf sie hier hin, gleich vor die Tür.«
    »Geralt«, sagte der Schulze leise. »Du reitest wieder fort, aber ich muss hier . . .«
    »Gehen wir, Caldemeyn. Nasstein, nimm den Finger aus der Nase und tu, was ich dich geheißen habe.«
    »Sofort«, sagte der Türklopfer mit völlig veränderter Stimme. »Geralt, bist wirklich du es?«
    Der Hexer fluchte leise. »Ich bin mit meiner Geduld bald am Ende. Ja, ich bin es wirklich. Und was ist, wenn ich es wirklich bin?«
    »Komm näher an die Tür«, sprach der Klopfer und stieß ein Dampfwölkchen aus. »Allein. Ich lasse dich herein.«
    »Was wird mit der Kikimora?«
    »Zum Teufel mit ihr. Ich will mit dir reden, Geralt. Nur mit dir. Entschuldigt, Schulze.«
    »Aber ja, Meister Irion.« Caldemeyn winkte ab. »Mach’s gut, Geralt. Wir sehen uns später. Nasstein! In die Jauchegrube mit dem Untier!«
    »Zu Befehl.«
    Der Hexer trat an die intarsiengeschmückte Tür heran, die sich einen Spalt öffnete, genug, dass er sich durchzwängen konnte, worauf sie sofort zuschlug und ihn in völliger Finsternis ließ.
    »He!«, rief er mit unverhohlenem Zorn.
    »Gleich«, antwortete eine sonderbar bekannte Stimme.
    Der Eindruck war so unerwartet, dass der Hexer zurückwich und haltsuchend die Hand ausstreckte. Er fand keinen Halt.
    Ein Garten prangte in weißer und rosa Blütenpracht, es roch nach Regen. Über den Himmel spannte sich ein bunter Regenbogen, der die Baumkronen mit einer fernen, blauen Bergkette verband. Das Häuschen inmitten des Gartens, klein und bescheiden, versank in Malven. Geralt sah nach unten und stellte fest, dass er bis zur Hüfte in Quendel stand.
    »Nun komm schon, Geralt«, meldete sich die Stimme. »Ich bin vorm Haus.«
    Er ging unter die Bäume des Gartens. Zur Linken nahm er eine Bewegung wahr, er wandte sich um. Ein blondes Mädchen, völlig nackt, ging zwischen den Beetreihen entlang und trug einen Korb voll Äpfel. Der Hexer gelobte sich feierlich, sich nicht mehr zu wundern.
    »Endlich. Sei gegrüßt, Hexer.«
    »Stregobor!« Geralt wunderte sich.
    Der Hexer hatte in seinem Leben gesehen, dass Verbrecher wie Ratsherren aussahen, Ratsherren wie Bettelbrüder, Dirnen wie Prinzessinnen, Prinzessinnen wie trächtige Kühe und Könige wie Verbrecher. Stregobor aber sah immer so aus, wie nach allen

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