Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
und warf ihn dem Hexer klirrend vor die Füße. »Ich werde die Missachtung des Ordens mit deinem Blute abwaschen, du Wechselbalg! Mann gegen Mann! Komm mit raus auf den Hof!«
    »Was fällt dir ein, Söhnchen«, sagte Nenneke ruhig. »Heb das da auf, hier darf man keinen Unrat hinwerfen, dies ist ein Heiligtum. Falwick, bring den Dummkopf hier weg, sonst geht das übel aus. Du weißt, was du Hereward übermitteln sollst. Übrigens, ich werde ihm persönlich einen Brief schreiben, ihr kommt mir nicht wie vertrauenswürdige Boten vor. Verschwindet. Den Ausgang findet ihr hoffentlich selber?«
    Falwick, der den vor Wut schäumenden Tailles mit eisernem Griff festhielt, verneigte sich mit klirrender Rüstung. Dann blickte er dem Hexer in die Augen. Der Hexer lächelte nicht. Falwick warf sich den roten Mantel über die Schultern. »Das war nicht unser letzter Besuch hier, ehrwürdige Nenneke«, sagte er. »Wir kommen wieder.«
    »Genau das habe ich befürchtet«, erwiderte Nenneke kalt. »Das Missvergnügen ist ganz meinerseits.«
     

Das kleinere Übel
I
    Wie üblich erregte er zuerst die Aufmerksamkeit der Katzen und der Kinder. Der gestreifte Kater, der auf einem von der Sonne erwärmten Stapel Holz schlief, hob den runden Kopf, legte die Ohren an, fauchte und sprang in die Brennnesseln. Der dreijährige Dragomir, der Sohn des Fischers Trigla, der sich auf der Schwelle der Hütte nach Kräften bemühte, das beschmierte Hemdchen noch mehr zu beschmieren, brüllte los, die tränennassen Augen auf den vorüberreitenden Mann gerichtet.
    Der Hexer ritt langsam und versuchte nicht, den Heuwagen zu überholen, der die Gasse versperrte. Hinter ihm trottete, mit einem sich immer wieder spannenden Seil am Sattelbogen festgemacht, mit vorgerecktem Halse ein bepackter Esel. Außer dem üblichen Packsattel schleppte das Langohr auf dem Rücken eine ziemlich große, in eine Decke gewickelte Gestalt. Den grauweißen Rücken des Esels bedeckten schwarze Flecken geronnenen Blutes.
    Der Wagen bog endlich in eine Seitengasse ab, hin zum Speicher und zur Anlegestelle, von der es nach Seeluft, Teer und Rinderharn roch. Geralt ritt schneller. Er ignorierte den erstickten Schrei der Gemüsehändlerin, die auf die knochige, krallenbewehrte Pfote starrte, die unter der Decke hervorschaute und im Trott des Esels schaukelte.
    Er schaute sich nicht nach der wachsenden Menschenmenge um, die ihm folgte und aufgeregt wogte.
    Vorm Hause des Schulzen standen wie üblich viele Wagen. Geralt sprang aus dem Sattel, rückte das Schwert auf dem Rücken zurecht, warf den Zügel über eine hölzerne Brüstung. Die Menge, die ihm gefolgt war, bildete einen Halbkreis um den Esel.
    Die Schreie des Schulzen waren schon draußen zu hören.
    »Nein, sag ich! Du darfst nicht, verdammt noch mal! Verstehst du nicht, was man dir sagt, du Lump?«
    Geralt trat ein. Vor dem Schulzen, der klein, dickbäuchig und vor Wut rot angelaufen war, stand ein Dörfler und hielt eine sich sträubende Gans am Halse.
    »Was soll ... Bei allen Göttern! Du bist es, Geralt? Sehe ich richtig?« Und wieder zu dem Bauern: »Nimm das mit, Kerl! Bist du taub geworden?«
    »Sie haben gesagt«, faselte der Dörfler und schielte auf die Gans, »dass man dem Herren ein bisschen was geben muss, denn sonst . . .«
    »Wer hat das gesagt?«, donnerte der Schulze. »Wer? Soll das heißen, ich nehme Schmiergeld? Ich erlaub’s nicht, sag ich! Scher dich weg, sag ich! Grüß dich, Geralt.«
    »Grüß dich, Caldemeyn.«
    Der Schulze drückte dem Hexer die Hand und schlug ihm mit der anderen auf die Schulter. »Es sind wohl zwei Jahre, dass du nicht hier warst, Geralt. Was? Dass du es auch nirgends eine Weile aushältst. Wo kommst du her? Ach, pfeif drauf, was macht es schon aus. He, jemand soll Bier bringen! Setz dich, Geralt, setz dich. Bei uns geht’s drunter und drüber, denn morgen ist Jahrmarkt. Was gibt’s bei dir Neues, erzähl!«
    »Später. Zuerst sollten wir rausgehen.«
    Draußen hatte sich die Menge schon verdoppelt, doch der freie Raum um den Esel war nicht kleiner geworden. Geralt schlug die Decke zurück. Die Menge stöhnte auf und wich zurück. Caldemeyn blieb der Mund offen stehen.
    »Bei allen Göttern, Geralt! Was ist das?«
    »Eine Kikimora. Gibt’s dafür nicht vielleicht eine Belohnung, Herr Schulze?«
    Caldemeyn trat von einem Fuß auf den anderen und betrachtete die spinnenhafte, von dürrer Haut umhüllte Gestalt, das glasige Auge mit der senkrechten Pupille, die

Weitere Kostenlose Bücher