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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Brüderchen, entweder ich oder jenes, das etwas kleiner ist.‹«
    »Kann ich erfahren, worauf du hinauswillst?«
    »Auf nichts. Ich habe ein bisschen getrunken und philosophiere, suche nach allgemeingültigen Wahrheiten. Eine habe ich gerade gefunden: Es gibt das kleinere Übel, doch wir können es nicht selbst wählen. Das Sehr Große Übel vermag uns zu solch einer Wahl zu zwingen. Ob wir es wollen oder nicht.«
    »Offensichtlich habe ich zu wenig getrunken.« Der Hexer lächelte geduldig. »Aber Mitternacht ist so oder so inzwischen vorbei. Werden wir konkret. Du wirst Stregobor in Blaviken nicht umbringen, ich erlaube es dir nicht. Ich lasse nicht zu, dass es hier zu Kampf und Blutvergießen kommt. Ich schlage dir abermals vor: Lass ab von der Rache. Verzichte darauf, ihn zu töten. Auf diese Art beweist du ihm, und nicht nur ihm, dass du kein unmenschliches, blutrünstiges Ungeheuer bist, keine Mutantin und kein Wechselbalg. Du beweist ihm, dass er sich geirrt hat. Dass er dir mit seinem Irrtum großes Unrecht zugefügt hat.«
    Eine Weile blickte Renfri auf das Medaillon des Hexers, das an der zwischen seinen Fingern gedrehten Kette kreiste. »Und wenn ich sage, Hexer, dass ich nicht vergeben oder auf Rache verzichten kann, dann bedeutet das, dass ich ihm, und nicht nur ihm, recht gebe, nicht wahr? Ich beweise damit, dass ich doch ein Ungeheuer bin, ein von den Göttern verfluchter unmenschlicher Dämon? Hör zu, Hexer. Ganz zu Beginn meines Wanderlebens hat mich ein Freisasse bei sich aufgenommen. Ich gefiel ihm. Da er mir aber überhaupt nicht gefiel, ganz im Gegenteil, prügelte er mich jedes Mal, wenn er mich haben wollte, und zwar so, dass ich mich morgens kaum vom Strohlager aufraffen konnte. Einmal stand ich auf, als es noch dunkel war, und schnitt dem Bauern die Kehle durch. Mit der Sense. Ich hatte damals noch nicht so viel Routine wie jetzt, und ein Messer kam mir zu klein vor. Und weißt du, Geralt, als ich hörte, wie der Bauer gurgelte und keuchte, als ich sah, wie er mit den Beinen zuckte, spürte ich, dass die Spuren von seinem Stock und seiner Faust überhaupt nicht mehr wehtaten und dass ich mich gut fühlte, ungeheuer gut. Ich bin munter weggegangen und habe dabei gepfiffen, gesund, fröhlich und glücklich. Und später war es jedes Mal genauso. Wenn es anders wäre, wer würde dann Zeit auf Rache verschwenden?«
    »Renfri«, sagte Geralt. »Unabhängig von deinen Gründen und Motiven wirst du hier nicht pfeifend weggehen, und du wirst dich nicht ungeheuer gut fühlen. Du wirst nicht fröhlich und glücklich weggehen, aber lebendig. Morgen früh, wie es der Schulze befohlen hat. Ich habe es dir schon gesagt, aber ich will es wiederholen. Du wirst Stregobor in Blaviken nicht umbringen.«
    Renfris Augen blitzten im Kerzenschein, es blitzten die Perlen im Ausschnitt der Bluse, es blitzte das Medaillon mit dem Wolfsrachen, das sich an der silbernen Kette drehte.
    »Du tust mir leid«, sagte das Mädchen auf einmal langsam, den Blick auf das funkelnde Stück Silber geheftet. »Du behauptest, es gäbe kein kleineres Übel. Du stehst auf dem Platz, auf dem blutüberströmten Pflaster, allein, so schrecklich einsam, denn du hast dich nicht entscheiden können. Du hast es nicht gekonnt, doch damit hast du dich entschieden. Du wirst es nie wissen, wirst niemals Gewissheit haben, niemals, hörst du ... Und dein Lohn sind Steine, böse Worte. Du tust mir leid.«
    »Und du?«, fragte der Hexer leise, fast flüsternd.
    »Ich kann mich auch nicht entscheiden.«
    »Wer bist du?«
    »Ich bin, was ich bin.«
    »Wo bist du?«
    »Mir ist ... kalt . . .«
    »Renfri!« Geralt presste die Hand um das Medaillon.
    Sie riss den Kopf hoch, als sei sie aus dem Schlaf geweckt worden, und blinzelte ein paarmal verwundert. Einen sehr kurzen Moment lang wirkte sie verängstigt.
    »Du hast gewonnen«, sagte sie plötzlich scharf. »Du hast gewonnen, Hexer. Morgen früh werde ich Blaviken verlassen und nie in dieses lausige Städtchen zurückkehren. Nie. Gieß ein, wenn noch was in der Flasche ist.«
    Der übliche spöttische, schalkhafte Ausdruck war auf ihre Lippen zurückgekehrt, als sie die leere Flasche auf den Tisch stellte.
    »Geralt?«
    »Ja.«
    »Dieses verdammte Dach ist steil. Ich würde lieber bei Tagesanbruch hinausgehen. Im Dunkeln kann man hinunterfallen und sich was tun. Ich bin eine Prinzessin mit einem feinen Körperbau, ich spüre eine Erbse durch den Strohsack hindurch. Wenn er nicht ordentlich mit Stroh

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