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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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weggeritten. Wenn stattdessen jemand herauskam und mir einen Auftrag gab, führte ich ihn aus.
    Ich habe Städte und Burgen besucht, habe Anschläge an den Wegweisern bei den Kreuzwegen gelesen. Ich suchte die Bekanntmachung: ›Hexer dringend gesucht.‹ Und dann waren da meistens irgendeine Hexengrotte, ein Verlies, eine Nekropolis oder Ruinen, ein Walddickicht oder eine Höhle in den Bergen voll Knochen und stinkendem Aas. Und da war etwas, was nur lebte, um zu töten. Vor Hunger, zum Vergnügen, aus jemandes krankhaftem Willen geboren oder aus anderen Ursachen. Eine Mantikora, ein Wyvern, ein Nebling, ein Sägmaul, ein Steinbeißer, eine Greule, ein Waldschrat, ein Vampir, ein Ghul, ein Graveir, ein Werwolf, ein Gigaskorpion, eine Striege, eine Jaga, eine Kikimora, ein Vipper. Und da waren der Tanz im Finstern und Schwerthiebe. Und Furcht und Abscheu in den Augen dessen, der mich später bezahlte.
    Fehler? Ja gewiss. Ich habe welche gemacht.
    Aber ich habe mich an die Prinzipien gehalten. Nein, nicht die Regel. Ich habe mir angewöhnt, mich manchmal hinter der Regel zu verstecken. Die Leute mögen das. Jemand, der irgendwelche Regeln hat und sie befolgt, wird geachtet und ernst genommen.
    Es gibt keine Regel. Nirgends ist eine Regel für Hexer festgelegt. Meine habe ich mir selbst ausgedacht. Für gewöhnlich. Und ich habe mich daran gehalten. Immer ...
    Nicht immer.
    Denn es kam vor, dass anscheinend gar kein Raum für Zweifel blieb. Dass ich mir hätte sagen müssen: ›Was geht denn mich das an, das ist nicht meine Sache, ich bin Hexer.‹ Dass ich auf die Stimme der Vernunft hätte hören müssen. Auf den Instinkt, wenn schon nicht auf das, was die Erfahrung diktiert. Oder wenigstens auf die gewöhnliche, die ganz gewöhnliche Angst.
    Ich hätte auf die Stimme der Vernunft hören sollen, dann ...
    Ich habe nicht darauf gehört.
    Ich glaubte, das kleinere Übel zu wählen. Ich habe das kleinere Übel gewählt. Das kleinere Übel! Ich bin Geralt von Riva. Auch der Schlächter von Blaviken genannt.
    Nein, Iola. Berühr meine Hand nicht. Möglicherweise erzeugt der Kontakt in dir ... Vielleicht siehst du ...
    Ich will aber nicht, dass du es siehst. Ich will es nicht wissen. Ich kenne meine Vorherbestimmung, die mich wie ein Wirbel kreisen lässt. Meine Vorsehung? Sie folgt mir auf dem Fuße, doch ich blicke niemals zurück.
    Eine Schlinge? Ja, Nenneke scheint es zu spüren. Was hat mich damals nur verleitet, dort in Cintra? Wie konnte ich solch ein dummes Risiko eingehen?
    Nein, nein und nochmals nein. Ich blicke niemals zurück. Und nach Cintra werde ich nie zurückkehren, ich werde es meiden wie die Pest. Nie will ich dorthin zurückkehren.
    Ha, wenn ich richtig rechne, muss dieses Kind im Mai geboren worden sein, um das Belleteyn-Fest herum. Wenn es wirklich so wäre, hätten wir da ein interessantes Zusammentreffen. Denn Yennefer ist auch zu Belleteyn geboren worden ...
    Lass uns gehen, Iola. Es wird schon dunkel.
    Ich danke dir, dass du mit mir gesprochen hast.
    Ich danke dir, Iola.
    Nein, mit mir ist alles in Ordnung. Ich fühle mich wohl.
    Ganz und gar wohl.«
     

Eine Frage des Preises
I
    Der Hexer hatte ein Messer an der Kehle.
    Er lag im Seifenwasser, den Kopf nach hinten gelehnt, auf den glitschigen Rand des hölzernen Badezubers. Auf den Lippen spürte er den bitteren Geschmack von Seife. Das Messer, so stumpf, dass man darauf reiten konnte, schabte schmerzhaft über seinen Adamsapfel und näherte sich kratzend seinem Kinn.
    Mit dem Gesichtsausdruck eines Erzengels, der an der Schöpfung teilhat, kratzte der Barbier aus purer Manier ein weiteres Mal, worauf er ihm das Gesicht mit einem Stück Leinentuch abwischte, getränkt in etwas, was vielleicht Erzengelswurz war.
    Geralt stand auf, erlaubte dem Knecht, einen Bottich Wasser über ihm auszugießen, schüttelte sich, stieg aus dem Zuber und hinterließ auf dem Ziegelfußboden eine Spur nasser Füße.
    »Das Handtuch, Herr.« Der Knecht schielte neugierig auf sein Medaillon.
    »Danke.«
    »Hier ist das Gewand«, sagte Haxo. »Hemd, Unterhose, Hose, Wams. Und hier die Stiefel.«
    »Ihr habt an alles gedacht, Kastellan. Und in meinen eigenen Stiefeln könnte ich nicht gehen?«
    »Nein. Bier?«
    »Gern.«
    Er nahm sich Zeit beim Anziehen. Die Berührung der fremden, unangenehm steifen Kleidung auf der aufgequollenen Haut verdarb ihm die gute Laune, die sich eingestellt hatte, während er sich im heißen Wasser räkelte.
    »Kastellan?«
    »Ja, Herr

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