Der letzte Wunsch
übrig.
Kaer Morhen ... Dort sind solche wie ich hergestellt worden. Jetzt schon nicht mehr, und in Kaer Morhen wohnt niemand mehr. Niemand außer Vesemir. Du fragst, wer Vesemir ist? Er ist mein Vater. Was schaust du mich so erstaunt an? Was ist daran verwunderlich? Jeder hat einen Vater. Meiner ist Vesemir. Und dass er nicht mein richtiger Vater ist, was macht das? Den richtigen habe ich nicht gekannt, die Mutter auch nicht. Ich weiß nicht einmal, ob sie noch leben. Im Grunde kümmert es mich auch nicht viel.
Ja, Kaer Morhen ... Ich habe dort die übliche Mutation durchgemacht. Die Kräuterprobe, und danach das Übliche. Hormone, Kräuter, eine Virusinfektion. Und wieder von vorn. Und abermals. Bis zum Erfolg. Ich habe die Verwandlungen wohl erstaunlich gut überstanden, war nur sehr kurze Zeit krank. Man betrachtete mich also als einen besonders widerstandsfähigen Hosenscheißer und wählte mich für gewisse weitere, kompliziertere ... Experimente aus. Damit ging es schlechter. Viel schlechter. Aber wie du siehst, habe ich’s überlebt. Als Einziger von denen, die für diese Experimente ausgewählt wurden. Seit damals habe ich weiße Haare. Vollständiger Pigmentausfall. Wie es heißt – eine Nebenwirkung. Eine Kleinigkeit. Es stört kaum.
Dann wurden mir verschiedene Dinge beigebracht. Ziemlich lange. Und endlich kam der Tag, an dem ich Kaer Morhen verließ und auf die Reise ging. Mein Medaillon hatte ich schon, ja, genau dieses hier. Das Zeichen der Wolfsschule. Ich hatte auch zwei Schwerter, ein silbernes und ein eisernes. Außer den Schwertern hatte ich Überzeugung, Eifer und ... Glauben. Den Glauben, dass ich gebraucht würde und von Nutzen wäre. Denn die Welt, Iola, sollte voller Ungeheuer und Bestien sein, und meine Aufgabe war es, diejenigen zu beschützen, die von den Bestien bedroht wurden. Als ich von Kaer Morhen auszog, träumte ich von der Begegnung mit meinem ersten Ungeheuer, ich konnte es nicht erwarten, ihm Auge in Auge gegenüberzustehen. Und dann war es so weit.
Mein erstes Ungeheuer, Iola, war kahlköpfig und hatte außerordentlich hässliche, schlechte Zähne. Ich begegnete ihm auf der Landstraße, wo es zusammen mit anderen Ungeheuern seinesgleichen, Marodeuren aus irgendeiner Armee, einen Bauernwagen angehalten und aus diesem Wagen ein Mädchen herausgezerrt hatte, vielleicht dreizehn Jahre alt, vielleicht noch jünger. Die Kumpane hielten den Vater des Mädchens fest, und der Kahlköpfige riss ihr den Rock vom Leibe und sagte, jetzt sei für sie die Zeit gekommen, zu erfahren, was ein richtiger Mann sei. Ich ritt heran, stieg ab und sagte dem Kahlkopf, dass auch für ihn die Zeit dafür gekommen sei. Ich hielt das für wahnsinnig witzig. Der Kahlkopf ließ das Mädchen los und stürzte sich mit einer Axt auf mich. Er war sehr langsam, aber hart im Nehmen. Ich schlug ihn zweimal, erst dann fiel er. Meine Hiebe waren nicht besonders sauber, aber sehr, sagen wir, beeindruckend, derart, dass die Kumpane des Kahlkopfs flohen, als sie sahen, was ein Hexerschwert aus einem Menschen machen kann ...
Ich langweile dich doch nicht, Iola?
Ich brauche dieses Gespräch. Ich brauche es wirklich.
Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei meiner ersten edlen Tat. Weißt du, Iola, in Kaer Morhen ist mir eingehämmert worden, dass ich mich nicht in solche Angelegenheiten einmischen soll, sondern einen Bogen darum machen, nicht den fahrenden Ritter spielen und den Ordnungshütern nicht zu Hilfe eilen. Ich war nicht ausgezogen, um mich auszuzeichnen, sondern um für Geld die mir aufgetragenen Arbeiten zu erledigen. Ich aber mischte mich wie der erste beste Dummkopf ein, noch ehe ich fünfzig Meilen vom Fuß des Gebirges entfernt war. Weißt du, warum ich das tat? Ich wollte, dass das Mädchen mit Tränen der Dankbarkeit mir, ihrem Retter, die Hand küsste und ihr Vater mir auf Knien dankte. Stattdessen war der Vater zusammen mit den Marodeuren weggelaufen, und das Mädchen, das den größten Teil vom Blute des Kahlkopfs abbekommen hatte, übergab sich und bekam einen hysterischen Anfall, und als ich mich ihr näherte, war sie starr vor Angst. Seither habe ich mich in derlei Geschichten nur noch sehr selten eingemischt.
Ich habe meine Sache gemacht. Schnell lernte ich, wie man es anstellt. Ich bin zu den festen Wohnsitzen im Lande geritten, habe unter den Palisaden von Siedlungen und Städten haltgemacht. Und gewartet. Wenn ich angespuckt wurde, beschimpft und mit Steinen beworfen, bin ich
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