Der letzte Wunsch
Geralt?«
»Wisst Ihr nicht vielleicht, wozu das alles gut sein soll? Also, wozu werde ich hier gebraucht?«
»Das geht mich nichts an«, sagte Haxo und schielte zu den Knechten hinüber. »Ich habe Euch anzukleiden . . .«
»Umzukleiden, wolltet Ihr sagen.«
». .. anzukleiden und zum Gastmahl, zur Königin zu bringen. Zieht das Wams an, Herr Geralt. Und verbergt Euer Hexermedaillon darunter.«
»Hier lag mein Stilett.«
»Und jetzt liegt es woanders. An einem sicheren Ort, wie Eure beiden Schwerter und Eure ganze Habe. Wo Ihr hingeht, geht man ohne Waffen hin.«
Der Hexer zuckte mit den Schultern und zog das enge purpurrote Wams an. »Was ist das?«, fragte er und zeigte auf eine Stickerei vorn auf der Kleidung.
»Ach ja«, sagte Haxo. »Beinahe hätte ich’s vergessen. Während des Gastmahls heißt Ihr der wohlgeborene Ravix von Vierhorn. Als Ehrengast werdet ihr zur Rechten der Königin sitzen, so wünscht sie es. Und das auf dem Wams ist Euer Wappen. Ein schreitender schwarzer Bär auf goldenem Grund, dahinter eine Jungfrau in blauem Mantel mit gelöstem Haar und erhobenen Händen. Ihr müsst Euch das merken, vielleicht hat einer von den Gästen an Heraldik einen Narren gefressen, das kommt oft vor.«
»Gut, ich merke es mir«, sagte Geralt gewichtig. »Und Vierhorn, wo liegt das?«
»Weit genug entfernt. Seid Ihr bereit? Können wir gehen?«
»Ja. Sagt mir noch, Herr Haxo, aus welchem Anlass findet dieses Gastmahl statt?«
»Prinzessin Pavetta vollendet ihr fünfzehntes Jahr; nach dem Brauche haben sich Bewerber um ihre Hand eingefunden. Königin Calanthe will sie jemandem von Skellige geben. Uns liegt viel an einer Verbindung mit den Inselleuten.«
»Warum gerade mit ihnen?«
»Diejenigen, die ihnen verbunden sind, überfallen sie nicht so oft wie die anderen.«
»Das ist fürwahr ein Grund.«
»Aber nicht der einzige. In Cintra, Herr Geralt, lässt die Tradition nicht zu, dass eine verheiratete Frau regiert. Unser König Roegner ist vor einiger Zeit an einem Pesthauch gestorben, und die Königin will keinen anderen Mann. Unsere Herrin Calanthe ist weise und gerecht, aber ein König ist eben ein König. Wer die Königin heiratet, besteigt den Thron. Es wäre gut, wenn sich ein tüchtiger Mann fände. Und solche findet man auf den Inseln. Das ist ein kerniges Volk. Gehen wir.«
Auf halbem Wege im Säulengang, der einen kleinen, leeren Innenhof umschloss, blieb Geralt stehen und sah sich um.
»Kastellan«, sagte er halblaut, »wir sind allein. Sagt, wozu die Königin einen Hexer braucht. Ihr müsst etwas wissen. Wer, wenn nicht Ihr?«
»Dazu, wozu jedermann einen braucht«, murmelte Haxo. »Cintra ist wie jedes andere Land, genauso. Wir haben hier sowohl Werwölfe als auch Basilisken, und auch eine Mantikora findet sich, wenn man gründlich sucht. Da kann auch ein Hexer von Nutzen sein.«
»Keine Ausflüchte, Kastellan. Ich frage, wozu die Königin bei dem Gastmahl einen Hexer braucht, noch dazu verkleidet als blauer Bär mit offenen Haaren.«
Haxo sah sich ebenfalls um und lehnte sich sogar übers Geländer des Säulenganges. »Es geht etwas Böses vor, Herr Geralt«, murmelte er. »Im Schloss, meine ich. Etwas spukt.«
»Was?«
»Was soll schon spuken? Ein Gespenst. Es heißt, es sei klein, bucklig, mit Stacheln wie ein Igel. Nachts streift es im Schloss umher, rasselt mit Ketten. Es ächzt und stöhnt in den Zimmern.«
»Habt Ihr es gesehen?«
»Nein.« Haxo spuckte aus. »Ich will es auch nicht sehen.«
»Ihr schwindelt, Kastellan.« Der Hexer verzog das Gesicht. »Das passt nicht zusammen. Wir gehen zu einem Verlobungsschmaus. Und was soll ich da? Aufpassen, dass nicht etwas Buckliges unterm Tisch hervorspringt und zu stöhnen beginnt? Ohne Waffen? Angezogen wie ein Narr? Ach, Herr Haxo.«
»Denkt doch, was Ihr wollt«, versetzte der Kastellan verdrießlich. »Es hieß, ich solle Euch nichts sagen. Ihr habt mich gebeten, also hab ich’s gesagt. Und Ihr behauptet, ich schwindle. Seid sehr eigensinnig.«
»Verzeiht, ich wollte Euch nicht kränken, Kastellan. Ich habe mich nur gewundert . . .«
»Dann hört jetzt auf, Euch zu wundern.« Haxo wandte den Kopf, noch immer gekränkt. »Ihr seid nicht zum Wundern hier. Und ich rate Euch gut, Herr Hexer, wenn Euch die Königin befiehlt, Euch nackt auszuziehen, Euch den Hintern blau anzumalen und Euch im Flur kopfunter aufzuhängen wie ein Kronleuchter, dann tut es, ohne Euch zu wundern oder zu zögern. Sonst können Euch
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