Der letzte Wunsch
sich. Etwas geht zu Ende.«
Der Dichter nahm einen Schluck aus der Flasche, kniff die Augen zusammen, seufzte schwer. »Fängst du wieder an, über dein trauriges Hexerlos zu jammern? Und dabei zu philosophieren? Ich bemerke die verderblichen Folgen falscher Lektüre. Denn darauf, dass die Welt sich ändert, ist sogar der alte Roderick de Novembre gekommen. Das mit der Veränderlichkeit der Welt ist übrigens die einzige These seines Traktats, der man ohne Vorbehalt zustimmen kann. Aber es ist keine derart originelle These, dass du mich mit ihr überraschen musst, und das mit einer Denkermiene, die dir überhaupt nicht zu Gesicht steht.«
Anstatt zu antworten, nahm Geralt einen Schluck aus der Flasche.
»Ja, ja«, stöhnte Rittersporn abermals. »Die Welt verändert sich, die Sonne geht unter und der Schnaps zu Ende. Was geht deiner Meinung nach noch zu Ende? Du hast von einem Ende geredet, Philosoph.«
»Ich will dir ein paar Beispiele nennen«, sagte Geralt, nachdem er einen Augenblick geschwiegen hatte. »Aus den letzten beiden Monaten, die ich auf dieser Seite der Buina verbracht habe. Eines Tages reite ich heran und sehe, da ist eine Brücke. An der Brücke sitzt ein Troll und verlangt von jedem Passanten Zoll. Wenn einer nicht zahlen will, bricht er ihm ein Bein, manchmal auch beide. Ich gehe also zum Dorfschulzen und frage, wie viel gebt ihr mir für diesen Troll. Der Schulze reißt vor Staunen das Maul auf. Was denn, fragt er, und wer soll die Brücke reparieren, wenn der Troll nicht mehr da ist? Der Troll kümmert sich um die Brücke, repariert sie regelmäßig im Schweiße seines Angesichts, gründlich, wie es aussieht. Wir kommen also billiger, wenn wir ihm Maut zahlen. Also reite ich weiter und erblicke einen Gabelschwanz. Nicht besonders groß, von der Nasenspitze bis zum Schwanzende so an die sechs Ellen. Er fliegt da und trägt ein Schaf in den Krallen. Ich reite ins Dorf, frage, wie viel bezahlt ihr für das Mistvieh. Die Bauern fallen auf die Knie, nein, rufen sie, das ist der Lieblingsdrache der jüngsten Tochter unseres Barons, wenn dem eine Schuppe gekrümmt wird, brennt der Baron das Dorf nieder, und uns zieht er die Haut ab. Ich reite weiter und werde immer hungriger. Ich frage nach Arbeit, nun ja, ich bekomme welche, aber was für welche? Dem einen eine Nixe fangen, dem anderen eine Nymphe, dem Dritten ein Scheuweib ... Sie sind völlig verblödet, in den Dörfern wimmelt es von Mädchen, aber die wollen Anderling-Weiber. Wieder einer möchte, dass ich ihm einen Streitling erlege und einen Knochen aus seiner Hand mitbringe, weil der, zermahlen und in die Suppe geschüttet, angeblich die Potenz stärkt . . .«
»Das ist nun wirklich dummes Geschwätz«, warf Rittersporn ein. »Ich hab’s ausprobiert. Es verstärkt überhaupt nichts, und die Suppe schmeckt nach einem Aufguss von Fußlappen. Na ja, wenn die Leute aber dran glauben und gern bezahlen wollen . . .«
»Ich bringe keine Streitlinge um. Noch andere unschädliche Geschöpfe.«
»Dann wirst du hungrig bleiben. Es sei denn, du wechselst den Beruf.«
»Gegen welchen?«
»Gegen irgendeinen. Werd Priester. Du wärst kein schlechter mit deinen Skrupeln, deiner Moral, deinem Wissen um die menschliche Natur und alles andere. Dass du an keine Götter glaubst, dürfte kein Problem sein. Ich kenne wenige Priester, die dran glauben. Werd Priester und hör auf, dich selbst zu bedauern.«
»Ich bedaure mich nicht. Ich stelle Tatsachen fest.«
Rittersporn legte ein Bein übers andere und betrachtete interessiert die abgelaufene Schuhsohle. »Geralt, du erinnerst mich an einen grauhaarigen Fischer, der gegen Ende seines Lebens herausgefunden hat, dass Fisch stinkt und dass es vom Wasser in den Knochen zieht. Sei vernünftig. Gerede und Klagen machen nichts besser. Wenn ich feststellen würde, dass es keine Nachfrage nach Poesie mehr gibt, würde ich die Laute an den Nagel hängen und Gärtner werden. Ich würde Rosen züchten.«
»Du spottest. Zu solcher Entsagung wärst du nicht imstande.«
»Mag sein«, sagte der Dichter und betrachtete weiterhin die Schuhsohle, »vielleicht wäre ich es nicht. Aber zwischen unseren Berufen gibt es einen gewissen Unterschied. Die Nachfrage nach Poesie und dem Klang der Laute wird nie zurückgehen. Mit deiner Beschäftigung ist es schwieriger. Ihr Hexer bringt euch ja selber um die Arbeit, schrittweise, aber unablässig. Je besser und gründlicher ihr arbeitet, desto weniger habt ihr zu tun. Euer Ziel,
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