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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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euer Daseinszweck ist ja eine Welt ohne Ungeheuer, friedlich und ungefährlich. Das heißt, eine Welt, in der Hexer überflüssig sind. Ein Paradox, nicht wahr?«
    »Stimmt.«
    »Früher, als es noch Einhörner gab, existierte eine recht große Gruppe von Mädchen, die ihre Tugend wahrten, um sie fangen zu können. Erinnerst du dich? Und die Rattenfänger mit den Flöten? Alle Welt war ja scharf auf ihre Dienste. Aber die Alchimisten haben ihnen den Garaus gemacht, indem sie wirksame Gifte erfanden, hinzu kam die allgemeine Verbreitung von Katzen, Frettchen und Wieseln. Die Tierchen waren billiger, lieber und schluckten nicht so viel Bier. Bemerkst du die Analogie?«
    »Ich bemerke sie.«
    »Dann mach dir die fremden Erfahrungen zunutze. Als die Einhorn-Jungfrauen die Arbeit verloren, ließen sie sich im Handumdrehen entjungfern. Manche, die sich für die Jahre der Entsagung entschädigen wollten, wurden dann für Technik und Eifer besonders berühmt. Die Rattenfänger ... Na, an denen solltest du dir lieber kein Beispiel nehmen, denn sie haben wie ein Mann zu saufen begonnen und sind an den Bettelstab geraten. Nun ja, es sieht so aus, dass jetzt die Hexer an der Reihe sind. Du liest Roderick de Novembre? Wenn ich mich recht erinnere, werden da Hexer erwähnt, jene ersten, die ungefähr vor dreihundert Jahren anfingen, durchs Land zu ziehen. Zu den Zeiten, als die Bauern in bewaffneten Haufen säen gingen, die Dörfer von dreifachen Palisaden umgeben waren, die Händlerkarawanen an den Durchmarsch von Söldnerheeren erinnerten und auf den Wällen der wenigen Städte Tag und Nacht schussbereite Katapulte standen. Denn wir, die Menschen, waren hier Eindringlinge. Über diese Länder herrschten Drachen, Mantikoras, Greifen und Amphisbaenen, Vampire, Werwölfe und Striegen, Kikimoras, Chimären und Flatterer. Und wir mussten ihnen dieses Land Stück für Stück abringen, jedes Tal, jeden Gebirgspass, jeden Wald und jede Wiese. Und das ist uns nicht ohne die unschätzbare Hilfe der Hexer gelungen. Doch diese Zeiten sind vorbei, Geralt, unwiederbringlich vorbei. Der Baron lässt nicht zu, dass der Gabelschwanz getötet wird, denn das ist bestimmt der letzte Drakonide im Umkreis von tausend Meilen, und er erweckt keine Furcht mehr, sondern Mitleid und Nostalgie. Der Troll an der Brücke hat sich bei den Menschen eingelebt, er ist kein Ungeheuer mehr, mit dem man die Kinder schreckt, sondern ein Relikt und eine örtliche Attraktion, dazu noch nützlich. Und die Greulen, Mantikoras, Amphisbaenen? Die sitzen in den Tiefen des Waldes und in unzugänglichen Gebirgen . . .«
    »Also hatte ich recht. Etwas geht zu Ende. Ob es dir passt oder nicht, etwas geht zu Ende.«
    »Mir passt nicht, dass du Gemeinplätze verbreitest. Mir passt die Miene nicht, mit der du das tust. Was ist mit dir los? Ich erkenne dich nicht wieder, Geralt. Ach, zum Teufel, reiten wir möglichst schnell nach diesem Süden, in diese wilden Gegenden. Wenn du ein paar Ungeheuer erledigt hast, wird dir der Trübsinn rasch vergehen. Und Ungeheuer soll’s dort genug geben. Man sagt, wenn eine alte Frau dort lebensmüde ist, dann geht sie mutterseelenallein in den Wald Reisig holen, ohne den Wurfspieß mitzunehmen. Der Erfolg ist gewiss. Du solltest dich dort auf Dauer niederlassen.«
    »Vielleicht sollte ich. Aber ich lasse mich nicht nieder.«
    »Warum? Dort kann ein Hexer leichter was verdienen.«
    »Das Verdienen ist leichter.« Geralt nahm einen Schluck aus der Flasche. »Aber das Ausgeben schwerer. Außerdem essen sie dort Gerstengraupen und Hirse, das Bier schmeckt nach Pisse, die Mädchen waschen sich nicht, und die Mücken stechen.«
    Rittersporn lachte laut auf, den Hintern gegen das Regal gelehnt, gegen die in Leder gebundenen Buchrücken.
    »Hirse und Mücken! Das erinnert mich an unsere erste gemeinsame Expedition an den Rand der Welt«, sagte er. »Weißt du noch? Wir haben uns bei dem Festschmaus in Guleta kennengelernt, und du hast mich überredet . . .«
    »Du warst es, der mich überredet hat. Du musstest ja aus Guleta verschwinden, was das Pferd hergab, weil das Mädchen, das du unter dem Podium für die Musiker gebumst hattest, vier ausgewachsene Brüder hatte. Sie suchten dich in der ganzen Stadt und drohten, dich zu kastrieren und danach zu teeren und zu federn. Deswegen hast du dich damals an mich gehängt.«
    »Und du warst ganz aus dem Häuschen vor Freude, dass du einen Kumpel gefunden hattest. Zuvor hattest du unterwegs nur mit dem

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