Der letzte Wunsch
Faschinen belegt, die Überläufe mit Steinen und Bohlen verstärkt. Die Wassermönche an den Teichen, durchaus nicht durchgefault, ließen munter das Wasser rinnen. Im Schilf an den Seen waren Kähne und Anlegestege zu sehen, und aus den Wasserflächen ragten die Stangen von aufgespannten Netzen und Reusen.
Rittersporn wandte sich plötzlich um. »Hinter uns kommt jemand«, sagte er aufgeregt. »Auf einem Wagen!«
»Unerhört«, spottete der Hexer, ohne sich umzuschauen. »Auf einem Wagen? Und ich dachte, hier reiten sie auf Fledermäusen.«
»Soll ich dir mal was sagen?«, knurrte der Troubadour. »Je näher der Rand der Welt ist, umso witziger wirst du. Nicht auszudenken, wo das noch hinführt!«
Sie ritten gemächlich, und da der mit einem Paar Schecken bespannte Wagen leer war, holte er sie rasch ein.
»Brrrr!« Der Mann auf dem Kutschbock hielt die Pferde unmittelbar hinter ihnen an. Er trug ein Wams von rohem Leder, und die Haare reichten ihm bis zu den Brauen. »Grüß die Götter, ihr Herren!«
»Wir«, erwiderte Rittersporn, der sich im Brauchtum auskannte, »grüßen sie auch.«
»Wenn wir wollen«, murmelte der Hexer.
»Ich heiße Brennessl«, teilte der Kutscher mit. »Ich hab Euch zugeschaut, wie Ihr mit dem Ältesten vom Oberen Ort geredet habt. Ich weiß, dass Ihr’n Hexer seid.«
Geralt ließ die Zügel locker und ließ die Stute ein wenig in die Brennnesseln am Wege schnauben.
»Ich hab gehört«, fuhr der Mann im Wams fort, »wie Euch der Älteste Märchen aufgetischt hat. Hab wohl gemerkt, was Ihr für ein Gesicht gemacht habt, und mich nicht gewundert. Hab lange nicht solchen Unsinn und Lügen gehört.«
Rittersporn lachte. Geralt betrachtete den Burschen aufmerksam, ohne etwas zu sagen. Der Mann namens Brennessl räusperte sich.
»Wollt Ihr nicht eine richtige, ordentliche Arbeit erledigen, Herr Hexer?«, fragte er. »Ich hätte was für Euch.«
»Was denn?«
Brennessl wich seinem Blick nicht aus. »Vom Geschäft redet sich’s schlecht auf der Straße. Fahren wir zu mir, in den Unteren Ort. Dort reden wir. Euer Weg führt ja sowieso dahin.«
»Woher diese Gewissheit?«
»Daher, dass es hier keinen andern Weg hat, und Eure Pferde stehen mit dem Maul nach da und nicht mit dem Schwanz.«
Rittersporn lachte abermals. »Was sagst du dazu, Geralt?«
»Nichts«, erwiderte der Hexer. »Auf der Straße redet sich’s schlecht. Also dann los, Herr Brennessl.«
»Bindet die Pferde am Wagen fest und kommt herauf«, schlug der Bursche vor. »Ist besser so. Wozu sich den Arsch im Sattel schinden?«
»Ein wahres Wort.«
Sie stiegen auf den Wagen. Der Hexer streckte sich genüsslich auf dem Stroh aus. Rittersporn, der offensichtlich fürchtete, sich seinen eleganten grünen Rock schmutzig zu machen, setzte sich auf den Bock. Brennessl schnalzte, und das Gefährt holperte über den bohlenverstärkten Damm.
Sie überquerten eine Brücke über einen von Mummeln und Entengrütze zugewachsenen Kanal und kamen an einem Streifen abgemähter Wiesen vorbei. Dahinter erstreckten sich, so weit das Auge reichte, bestellte Felder.
»Kaum zu glauben, dass das der Rand der Welt ist, das Ende der Zivilisation«, sagte Rittersporn. »Sieh doch nur, Geralt. Roggen wie Gold, und in dem Maisfeld könnte sich ein Mann zu Pferde verbergen. Oder der Raps, schau, wie riesig er ist.«
»Du verstehst etwas von Landwirtschaft?«
»Wir Dichter müssen von allem etwas verstehen«, erklärte Rittersporn geduldig. »Sonst würden wir uns beim Schreiben blamieren. Lernen muss man, mein Lieber, lernen. Von der Landwirtschaft hängt das Schicksal der Welt ab, es ist also gut, sich darin auszukennen. Die Landwirtschaft nährt, kleidet, schützt vor der Kälte, sorgt für Unterhaltung und dient der Kunst.«
»Mit Unterhaltung und Kunst übertreibst du ein bisschen.«
»Und woraus wird Schnaps gebrannt?«
»Ich verstehe.«
»Du verstehst nicht viel. Lerne. Sieh dort die violetten Blüten. Das ist Lupine.«
»In Wahrheit ist es Wicke«, warf Brennessl ein. »Habt Ihr noch keine Lupine gesehen? Doch in einem habt Ihr’s getroffen, Herr. Hier gedeiht alles mit Macht und wächst, dass es eine Freude ist. Darum heißt es auch: das Blumental. Darum haben sich unsere Vorfahren hier angesiedelt, so sie die Elfen von hier vertrieben hatten.«
»Blumental oder Dol Blathanna.« Rittersporn stieß den auf dem Stroh ausgestreckten Hexer mit dem Ellenbogen an. »Hast du’s bemerkt? So sie die Elfen vertrieben hatten, aber
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