Der Leuchtturm von Alexandria
mußten im Falle einer Pest höchstwahrscheinlich sowieso am meisten leiden.
»Ich kann unmöglich die Gefangenen anderer Leute freilassen!« wandte Frithigern ein. »Bei der Hälfte der Streitfälle, bei denen ich als Schiedsrichter fungieren muß, geht es bereits um Sklaven. Ich kann schließlich nicht das Gesetz hochhalten und dann selbst das Eigentum anderer requirieren. Nein, es ist ganz unmöglich. Ihr Griechen seid einfach fanatisch, wenn es um Hygiene geht. Vielleicht machen euch fehlende Abwasserkanäle ja wirklich krank. Wir Goten sind da aus härterem Holz geschnitzt. Wir baden ja auch nicht dauernd, und das schadet uns ebenfalls nicht.«
Ich biß mir auf die Lippen, um nicht herauszuplatzen und ihn einen stinkenden, unwissenden Barbaren zu nennen.
»Erlauchter Frithigern, hier handelt es sich um verseuchtes Wasser und nicht ums Baden. Dieses Wasser hat bereits Menschen getötet. Heute morgen sind im Hospital mehrere Kinder gestorben. Wie viele müssen denn noch sterben, bevor du zugibst, daß hier ein ernstes Problem vorliegt?«
»Du übertreibst«, erwiderte Frithigern kalt. »Kinder sterben aus vielerlei Gründen. Ich kann meinen Männern nicht erzählen, sie sollten ihre Beutezüge einstellen und Abwassergräben bauen, nur weil irgendeine griechische Ärztin es für richtig hält.«
»Aber ich bin es doch nicht allein, die es für richtig hält! Alle medizinischen Autoritäten stimmen darin überein, daß verseuchtes Wasser Krankheiten verursacht! Und ein römischer Amtsarzt ist nun einmal dafür da, für die öffentliche Gesundheit zu sorgen.«
»Du bist kein römischer Amtsarzt!« fuhr mich Frithigern an.
»Geh jetzt ins Hospital zurück und kümmere dich um die Kranken!«
Ich starrte ihn einen Augenblick lang an, erkannte, daß ich nichts erreichen konnte und verbeugte mich steif. »Wenn du schon nicht in der Lage bist, mir zu helfen, vortrefflicher Frithigern«, sagte ich bitter, »könntest du dann einige deiner Leute, die auf Beutezüge gehen, nicht vielleicht bitten, nach Heilkräutern Ausschau zu halten? Edico hat mir gesagt, ihm seien eine ganze Menge ausgegangen. Ich könnte Zeichnungen von den Kräutern anfertigen, die wir am dringendsten benötigen.«
»Edico hat schon von Anfang an um Arzneimittel gebeten. Aber meine Männer sind nicht daran interessiert, irgendwelche Wurzeln auszugraben oder Beeren zu pflücken, wenn sie sich auf Beutezügen befinden. Du wirst mit dem auskommen müssen, was zur Verfügung steht.«
Ich biß die Zähne zusammen. »Nun gut, vortrefflicher Frithigern. Wenn du deine Männer nicht in der Hand hast und sie nicht dazu bewegen kannst, Abwasserkanäle zu bauen oder nach Heilkräutern Ausschau zu halten, dann werde ich eben jemanden um Hilfe bitten müssen, der vom Geschäft des Herrschens etwas mehr versteht als du!«
Er wurde rot und sprang von seiner Ruhebank auf. »Was willst du damit sagen?«
»Ich werde mit deiner Frau sprechen, edler Frithigern! Ich wünsche dir alles Gute!«
Und ich verbeugte mich und ging hinaus und hoffte, Amalberga werde mich anhören.
Sie tat es, Gott segne sie. Ich ging direkt zu ihr und erklärte ihr die Notwendigkeit von Abwasserkanälen, und sie verstand mich sofort. Ihr war bereits aufgefallen, daß eine Menge Leute um sie herum magenkrank waren, doch sie hatte nicht gewußt, woran dies lag. »Ist das wirklich der Grund dafür?« fragte sie. »Die Latrinen? Ich dachte, es sei die Luft oder das Wasser.«
»Es ist das Wasser«, sagte ich und zitierte meine medizinischen Autoritäten, bis sie abwehrend beide Hände hob und mich bat, aufzuhören.
»Du hast keine Zeit mit Trübsinnblasen vergeudet, scheint mir«, sagte sie und lächelte.
Ich zuckte die Achseln. »Das Problem ist schließlich äußerst dringend.« Aber erst jetzt wurde mir klar, daß ich überhaupt nicht anders reagierte als früher, als jedermann mich für einen Eunuchen gehalten hatte. Und ich hatte mich ja auch nicht verändert; nur was die anderen von mir wußten, hatte sich geändert. Was die anderen von einem wissen, ist allerdings ungeheuer wichtig, und es kann sogar einen selbst verändern; das könnte auch bei mir noch passieren.
»Nun gut, wir werden also Abwasserkanäle bauen müssen«, sagte Amalberga. »Weißt du, wie man so etwas macht?«
Ich erläuterte ihr den Plan, den ich Frithigern unterbreitet hatte, und zählte dann Frithigerns sämtliche Einwände auf. Sie sah mich kleinlaut an. »Und du hast dich deswegen bereits mit ihm
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