Der Leuchtturm von Alexandria
versammelt sind, hat das überhaupt keinen Zweck. Die Festungsanlagen wimmeln vor Wachen, und ich soll bis heute abend verschwunden sein. Frithigern traut mir nicht und will nicht, daß ich länger bleibe. Du wirst ganz einfach tapfer sein müssen und warten. Ich habe mit einigen von Colias’ Männern gesprochen: Sie werden versuchen, dich zu beschützen, falls das Lager erobert wird. Ich wünschte nur, ich könnte mehr tun.«
»Dann werde ich eben warten«, meinte ich und versuchte, mich in mein Schicksal zu ergeben. »Zumindest habe ich genug Arbeit, um mich in Trab zu halten. Wie macht sich Arbetio in Novidunum?«
Athanaric sah mich einen Augenblick lang an, dann zuckte er die Achseln. »Ziemlich gut. Er hat noch eine Hilfskraft angeheuert. Die Soldaten meinen trotzdem, du seiest ein besserer Arzt. Was soll das heißen, daß du die Terwingen vor einer Epidemie bewahrt hast?«
»Ich habe sie dazu veranlaßt, Abwasserkanäle zu bauen.«
»Und so etwas verhindert eine Epidemie? Eine Epidemie hätte uns nützen können.«
»Sie hätte vor allem die Alten und die Kinder getötet, nicht die Krieger. Ich habe versucht, keine Soldaten zu behandeln – mach dir keine Sorgen deswegen. Was ist mit meinen Sklaven in Novidunum? Weißt du, wie es ihnen geht?«
»Arbetio beaufsichtigt sie für dich. Er hat dieses Mädchen, das er von Valerius gekauft hat, geheiratet, und sie leben alle zusammen in dem von dir gekauften neuen Haus. Arbetio legt etwas Geld für den Pachtzins für dich zur Seite. Du kannst ihm vertrauen. Er wollte sich im Austausch gegen dich anbieten, aber Sebastianus meinte, ein dickes Lösegeld würde eher zum Erfolg führen.«
»Haben wir noch ein paar Arzneimittel von Philon in Ägypten bekommen?«
Athanaric antwortete nicht. »Guter Gott, Charis!« rief er statt dessen aus. »Warum um alles in der Welt hast du niemandem erzählt, wer du bist? Sebastianus hätte dich auf der Stelle nach Hause geschickt, dann wärst du nicht in dieses Schlamassel geraten. Du hast hier nichts zu suchen.«
»Und wo glaubst du, habe ich etwas zu suchen?« fragte ich ihn.
»Vielleicht in Festinus’ Haus, in das mein Vater mich geschickt hätte?«
»Natürlich nicht. Aber ich habe mit deinem Bruder gesprochen, ich weiß, daß er dich schon seit Jahren zu überreden versucht, heimzukehren.«
»Heimzukehren, wohin? Um mit Schande bedeckt in seinem Haus herumzusitzen oder irgend so einen Tölpel zu heiraten und meine Zeit damit zuzubringen, Homer zu lesen und auf den Fußboden zu starren? Ich bin Arzt, und ich will es bleiben.«
»Sebastianus ist kein Tölpel, und er würde nicht von dir erwarten, daß du deine Zeit damit zubringst, auf den Fußboden zu starren.«
»Mach dich nicht lächerlich. Sebastianus würde mich nicht heiraten.«
»Er hat deinen Bruder darum gebeten, einen Ehevertrag aufzusetzen, und dein Bruder ist einverstanden.« Ich starrte ihn fassungslos an.
»Verstehst du das nicht?« fragte er. »Du warst doch in Marcianopolis dabei, als er seine Vorstellung von einer vollkommenen Frau entwickelte. Es muß dir doch klar gewesen sein, daß die Beschreibung auf dich zutrifft. Einen Tag, nachdem ich ihm erzählt hatte, wer du wirklich bist, sagte er zu mir, er wolle dich heiraten. ›Ich werde kein zweites Mal einer solchen Frau begegnen‹, sagte er.«
»Aber… aber seine Familie ist doch sicherlich von höherem Rang als die meine, und ich glaube nicht, daß meine Mitgift so besonders hoch ist.«
»Tausend Pfund in Gold wären genug. Aber im Grunde genommen ist Sebastianus bereit, die Mitgift für das Lösegeld auszugeben und den Vertrag ohne Billigung seines Vaters abzuschließen. Deine Familie ist genausogut wie seine – von konsularischem Rang. Und er möchte dich heiraten.«
»Aber warum? Das halbe Kaiserreich zerreißt sich über mich die Zunge.«
»Mein Gott nochmal! Was möchtest du denn, was ich dir darauf antworte? Daß er dich will, weil du intelligent, gebildet, edel, reich, mutig, tugendhaft und sehr hübsch bist? Daß er all dies mir gegenüber erwähnt hat? Du bist es doch, die ihm das alles vor Augen geführt hat. Du weißt doch ganz genau, daß er so denkt; warum mußt du es denn unbedingt von mir hören?« Ich saß dort im Halbdunkel unter dem Wagen und starrte Athanaric einen Augenblick lang an, dann schüttelte ich den Kopf. Plötzlich verspürte ich den heftigen Wunsch zu weinen, und ich preßte die Hand gegen den Mund, um mich daran zu hindern. »Ich weiß, daß ich intelligent
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