Der Leuchtturm von Alexandria
Versprechen müsse meinem Ehemann überlassen bleiben.
Und jedermann redete und redete wegen dieser Ehe auf mich ein. Nach meinen blutdürstigen Erklärungen wollte mich niemand gegen meinen Willen heiraten, doch eine ganze Anzahl gotischer Anführer war der Meinung, sie könnten mich dazu bewegen, meine Meinung zu ändern. Anfangs war ich überrascht, daß ich überhaupt interessant für sie war; immerhin gab es wenige Römer, die mich, eine Fortgelaufene ohne Mitgift, wollten. Doch ich machte die Erfahrung, daß nichts so sehr Aufmerksamkeit erregt wie eine skandalumwitterte Berühmtheit. Für einen jungen gotischen Edelmann, der sich einen Namen machen wollte, stellte ich eine glänzende Gelegenheit dar: Die Frau zu heiraten, die Festinus Schande bereitet hatte, würde ihm den Ruhm auf dem Servierteller einbringen. Außerdem erwarteten sie in der Mehrzahl, daß meine Familie, wenn ich erst einmal verheiratet war, nachgeben und für eine Mitgift sorgen würde. Ich wurde also in regelmäßigen Zeitabständen mit dem einen oder anderen dieser Edelleute alleine gelassen, und sie mühten sich ab, sich mit mir zu unterhalten oder mich ins Bett zu zerren, oder auch alles beides, während ich mich ihrer so höflich wie irgend möglich erwehrte. Ich mußte höflich sein, da ich es nicht wagte, solche mächtigen Männer ernsthaft zu beleidigen. Doch sie fühlten sich zu keinerlei Höflichkeit verpflichtet; sie waren der Ansicht, daß sie mich genügend ehrten, wenn sie mir die Ehe anboten. Einige von ihnen wahrten die gesellschaftlichen Manieren, andere jedoch nicht, und ich benötigte meine fünf Sinne und eine entschlossene Hand, um mit ihnen fertig zu werden. Das alles wäre sicher sehr komisch gewesen, wenn ich nicht solche Angst gehabt hätte und wenn mir nicht jedesmal so elend zumute gewesen wäre, sobald ich noch einmal davongekommen war. Und trotz allem waren sie natürlich beleidigt. Mit der Zeit entwickelte ich ein beträchtliches Mitgefühl für Penelope von Ithaka, die eine derartige Situation zehn Jahre lang ausgehalten hatte – aber keiner der Goten hatte je von ihr gehört, und keiner würde mit mir zusammen darüber lachen. All die edlen Frauen schwärmten mir gegenüber immer und immer wieder von dem Mut und der Tapferkeit und der Mannestugend von Munderich oder Levila oder Lagriman oder einem anderen jener ungebildeten, schwertrasselnden Barbaren, der mich gerade ins Auge gefaßt hatte, bis mir schon beim Klang des Gotischen ganz übel wurde und ich mir wünschte, ich hätte Festinus geheiratet und es damit hinter mich gebracht.
Aber dies waren im Grunde genommen alles noch keine ernsthaften Probleme. Die begannen erst in jenem Winter. Im Frühherbst marschierten die vereinigten römischen Streitkräfte in nördliche Richtung und trafen bei Salices auf die Goten, wo sich beide Seiten eine offene Feldschlacht lieferten. Es gab ein großes Gemetzel, aber keinen eindeutigen Sieger. Die gotischen Truppen zogen sich nach Carragines, die römischen nach Marcianopolis zurück. Die Goten versorgten ihre Verwundeten und stritten darüber, was sie als Nächstes tun sollten. Die Römer, etwas praktischer und fleißiger veranlagt, verbarrikadierten die Pässe in den Hämusbergen. Ehe die Goten dies so recht mitbekamen, saßen sie im Norden der Diözese in der Falle, und dort gab es, wie Amalberga bereits gesagt hatte, nichts zu essen.
Die Goten unternahmen ein paar Versuche, die römischen Linien zu durchbrechen und in den stärker bevölkerten und wohlversorgten Süden vorzustoßen. Sie handelten sich jedoch nur weitere Verluste ein. Frithigern schickte Abgesandte an die Römer in Marcianopolis, aber sie wurden an den Toren abgewiesen und nicht einmal in die Stadt gelassen. Die Römer waren nicht bereit, zu verhandeln. Frithigern schickte Abgesandte nach Tomis und machte das Angebot, mich gegen Getreidevorräte einzutauschen, doch inzwischen war es Spätherbst geworden und Thorion war offensichtlich bereits nach Bithynien versetzt worden. Der neue Statthalter aber gab nichts auf Frithigerns Drohungen. Ich wurde während dieser Vorgänge im Haus gefangengehalten, aber schließlich wurde dem König klar, daß sich niemand groß dafür interessierte, was mit mir geschah, außer daß vielleicht irgendwann jemand auf den Gedanken kam, mein Schicksal zu rächen. So schickte er mich wieder ins Hospital, damit ich mich um die Kranken kümmerte. Meine medizinischen Fähigkeiten waren gefragter als je zuvor. Wenn die
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