Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
Vom Netzwerk:
betrachtete ihn mit Abscheu und bat mich mit einer Geste, ihm seinen Umhang zu reichen. Er hatte ihn abgenommen, damit ich seine Brust abhorchen konnte. Der Name Athanaricus oder Athanaric war – obwohl er mit den gleichen Silben wie derjenige des Erzbischofs begann – weder griechisch noch römisch, sondern eindeutig gotisch. Doch die Agenten standen der Armee in vielerlei Hinsicht näher als den zivilen Beamten, und in der Armee sind Goten recht häufig. Dieser Agent sah auf alle Fälle aus wie ein Gote. Er hatte blonde, ziemlich lange Haare und einen kurzen Bart; er war mit einem Schwert gegürtet, und zu seinem kurzen Militärmantel trug er Hosen. Diese waren staubig, und der Agent roch nach Pferd: Er war offensichtlich gerade in der Stadt angekommen. Breitbeinig stand er in der Türschwelle, den Daumen in den Gurt seines Schwertes geklemmt, während Theophilos ihm verärgert über die Schulter blickte.
    »Seid gegrüßt, vortrefflicher Athanaricus«, sagte Athanasios und erhob sich. Der Agent überragte ihn auch im Stehen bei weitem. »Darf ich deine Beglaubigung sehen?«
    Athanaric händigte ihm ein an einer Kette befestigtes Siegel und einen mit einer offiziellen Unterschrift versehenen Brief aus. Athanasios untersuchte das Siegel, las den Brief und gab ihm beides zurück. »Die Behörden fordern also deine Unterbringung hier im Palast?« stellte er resigniert fest. »Wie lange wirst du dafür benötigen, die… Militärposten zu inspizieren?« Das war nämlich die offizielle Aufgabe eines Curiosus.
    »Oh, bis zum Frühjahr, wahrscheinlich«, entgegnete der Gote gutgelaunt. Er hatte einen eigenartigen Akzent, er verschluckte einige Silben und sprach in einem abgehackten Tonfall, wobei er die Worte deutlich voneinander trennte, statt sie, so wie die Griechen, zusammenzuziehen. »Vielleicht auch länger. Man kann nie wissen.« Er sah mich an und zog seine Augenbrauen in die Höhe. »Hat Eure Heiligkeit jetzt einen eigenen Eunuchen als Kammerherrn?« Ich war an derartige Blicke gewöhnt, an diesen Abscheu, mit dem ein normaler Mann einen Eunuchen ansieht, und beschäftigte mich damit, meine medizinischen Instrumente wegzupacken. »Dies ist mein Arzt, Chariton aus Ephesus. Gottesfürchtiger Theophilos, kannst du bitte ein Zimmer für den vortrefflichen Kurier ausfindig machen?«
    Athanaric schnaubte verächtlich und stolzierte mit Theophilos von dannen. Als ich jedoch den Palast am nächsten Vormittag verließ, ergriff er mich im Hof am Arm und zog mich beiseite.
    »Chariton aus Ephesus!« sagte er beinahe freundlich und hielt meinen Umhang fest. »Wie geht es seiner Heiligkeit heute morgen?«
    »Genauso wie seit einem Monat«, erwiderte ich. »Könntest du mich bitte gehen lassen, Vortrefflicher? Ich muß zu einem Patienten.«
    »Was, noch andere neben dem Erzbischof! Bezahlen sie dich auch ordentlich?«
    Jetzt kam gleich das Angebot eines Bestechungsgeldes. »Einige«, sagte ich. »Andere zahlen überhaupt nicht. Ich habe genug Geld.«
    »Niemand hat das. Hör zu, Eunuch, die Gesundheit des Erzbischofs ist in Antiochia und Konstantinopel genau wie in Alexandria ein Thema von äußerst großem Interesse. Und meine Vorgesetzten würden gerne wissen, was die alexandrinische Kirche wegen Bischof Athanasios’ Gesundheit unternimmt. Wir sind natürlich darauf eingestellt, für dieses Wissen zu bezahlen. Was würdest du zu einem… einem Beratungshonorar von jedesmal zehn Solidi sagen, wie? Ich wette, das ist mehr, als der alte Nizäer dir bezahlt.«
    Natürlich war es das. Niemand bezahlt seine Ärzte so gut wie seine Spione. »Es tut mir leid, Vortrefflicher«, sagte ich behutsam. »Ich habe einen Eid geschworen und kann dein großzügiges Angebot nicht annehmen.«
    »Was für einen Eid?« fragte er und sah mich verblüfft und mißtrauisch an. »Den Eid des Hippokrates. Ich bin ein Anhänger des Hippokrates, und zwar sowohl aufgrund meiner Ausbildung als auch aus Neigung.«
    Er lachte. »Ich dachte schon, du wolltest sagen, der Erzbischof habe dich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Also schön , fünfzehn Solidi. Ist der Eid jetzt nicht mehr so bindend?«
    »Der Eid ist unter allen Umständen bindend«, entgegnete ich ihm. »Bitte entschuldige mich jetzt. Wie gesagt, ich habe einen Patienten.«
    »Sei doch nicht so schlecht gelaunt!« sagte er, doch sein Gesicht hatte sich ein wenig gerötet. »Du erwartest doch nicht etwa, daß ich glaube, ein Eunuch nehme den hippokratischen Eid ernst, oder? Wofür gibst du

Weitere Kostenlose Bücher