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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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deinen Bericht gelesen, in dem du schilderst, wie du Erzbischof Athanasios von einer Lungenentzündung geheilt hast«, schrieb Thorion. »Ich habe ein wenig nachgeforscht und erfahren, daß dieser Erzbischof bei Hof zutiefst verhaßt ist: Der Prätorianerpräfekt nennt ihn einen eingebildeten Volksverhetzer, und der oberste Hofbeamte hält ihn für lasterhaft und gefährlich. Ich höre, daß er früher einmal wegen Mord, Vergewaltigung und Zauberei angeklagt worden ist, obwohl Maia sagt, diese Anklagen waren ungerechtfertigt. Wie dem auch sei, es ist einigermaßen offensichtlich, daß unsere Erhabene Majestät vorhat, die nizäische Partei in Alexandria zu vernichten, und nur auf Athanasios’ Tod wartet, um loszuschlagen. Er hat bereits einen Nachfolger für den Erzbischof ausersehen – einen gewissen Lucius, einen guten Arianer –, und er hat überall in der Stadt seine Spione, die ihm berichten sollen, was der Erzbischof im Schilde führt. Man hält es nämlich für möglich, daß Athanasios Alexandria und ganz Ägypten zu einem Aufstand anstiften und das Auslaufen der Kornschiffe nach Konstantinopel verhindern wird, was uns eine Menge Ärger bereiten könnte. Wenn ich du wäre, Charition, würde ich mich von einem solchen Unruhestifter unbedingt fernhalten.«
    »Lucius?« fragte Athanasios, als ich ihm von Thorions Brief berichtete (auf meine Weise war ich ja auch eine Art Spion). »Ja, ich wußte davon, daß sie Überlegungen anstellen, ihn herzuschicken. Ein paar Bischöfe in Antiochia haben ihn aus sicherer Entfernung zum Erzbischof von St. Markus geweiht, und als mich Valens damals zum erstenmal verbannte, haben sie versucht, ihn in mein Amt einzusetzen. Aber er mußte unter starker Bewachung aus der Stadt eskortiert werden: Es ist ein Wunder, daß man ihn nicht gelyncht hat. Einfach so, mit nur ein paar Mann Gefolge hier aufzutauchen! Wenn er noch einmal kommen will, muß er erst einmal sicherstellen, daß er sich mit genügend Truppen umgibt.«
    »Was wird er tun, wenn er herkommt?« fragte ich bedrückt. Athanasios seufzte, dann zuckte er müde die Achseln. »Er wird wohl kaum kommen, um Frieden zu stiften, falls es das ist, was du wissen möchtest. Er ist ein stolzer, jähzorniger Mann und ein leidenschaftlicher Arianer; er wird sich nicht die Mühe geben, die Menschen miteinander zu versöhnen, und es wird ihm Spaß machen, Gewalt anzuwenden.« Er sah mich einen Augenblick lang an; seine Miene heiterte sich auf, der Ausdruck heimlicher Belustigung trat in seine Augen, und er fügte hinzu: »Aber ich glaube nicht, daß du dir persönlich Sorgen machen mußt. Er wird sich kaum die Mühe machen, Ärzte zu jagen, wenn er Mönche auspeitschen kann – aber natürlich nur, wenn du es vermeidest, die Aufmerksamkeit seiner Spione zu erregen.«
    Anfangs, als ich zum erstenmal in den bischöflichen Palast gekommen war, hatte ich die Spione nicht bemerkt, aber nach diesem Gespräch und Thorions Brief bemerkte ich sie überall. Dauernd schlichen irgendwo merkwürdige Geistliche herum, Leute, die nicht aus Ägypten waren; einige überbrachten Briefe von fremden Bischöfen, einige hatten noch unbestimmtere Aufträge. Und sie stellten einen Haufen Fragen. Dann gab es noch die durchsichtigeren Leute aus dem Büro des Präfekten, des Statthalters Palladios. Und schließlich die Agenten. Agentes in rebus: »Agenten in gewissen Angelegenheiten«, ein wunderbar vager lateinischer Titel. Es sind Kuriere, die offizielle Botschaften und Informationen aus verschiedenen Teilen des Imperiums an die Höfe ihrer Erhabenen Majestäten bringen. Doch im Grunde genommen sind sie – vor allem aber ihre Inspektoren, die Curiosi – nichts als Spione. Sie können in das Haus jedes reichen Mannes einquartiert werden, sie schreiben Berichte über alles, was sie dort hören, tragen dem obersten Hofbeamten allen Klatsch und sämtliche Gerüchte zu. Kurz nachdem es offensichtlich geworden war, daß Athanasios nicht sofort sterben werde, verließ ein Agent den Palast, und der nächste tauchte nur sechs Wochen später auf.
    Als ich eines Novembermorgens meinen Routinebesuch beim Erzbischof gerade beenden wollte, klopfte es, und ohne eine Antwort abzuwarten, stolzierte ein großgewachsener junger Mann mit einem kurzen Militärmantel großspurig herein, gefolgt von einem unglücklich aussehenden Theophilos.
    »Athanaricus aus Sardica, Curiosus der Agentes in rebus, möchte Erzbischof Athanasios sprechen«, verkündete der Fremde.
    Athanasios

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