Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
fester. Drinnen begann ein Hund zu bellen.
»Der Schäferhund, verdammt. Den hatte ich ganz vergessen.« Martin schüttelte angewidert den Kopf. Er mochte keine großen Hunde, und die Tiere von Drogenabhängigen fand er besonders unberechenbar.
»Der ist nicht gefährlich. Ich habe ihn schon öfter getroffen.« Nachdem Paula ein drittes Mal geklingelt hatte, hörten sie in der Wohnung Schritte. Zaghaft wurde die Tür geöffnet.
»Ja?« Rolle machte ein argwöhnisches Gesicht. Paula trat einen Schritt zurück, damit er sie richtig sehen konnte. Zwischen den Beinen des Mannes stand der kläffende Hund und versuchte offensichtlich, sich durch den Türspalt zu zwängen. Martin stellte sich auf die erste Treppenstufe, die ins nächsthöhere Stockwerk führte, hätte aber nicht erklären können, warum er sich dort sicherer fühlte.
»Paula, von der Polizei Tanum. Wir sind uns schon ein paarmal begegnet.«
»Doch, jetzt erkenne ich Sie wieder.« Er machte aber keine Anstalten, die Kette zu lösen und die Tür zu öffnen.
»Wir würden gern einen Moment hereinkommen und uns ein bisschen unterhalten.«
»Unterhalten. Das kenne ich.« Rolle rührte sich nicht vom Fleck.
»Ich meine es ernst. Wir wollen Ihnen keinen Ärger machen.« Paulas Stimme klang ruhig.
»Na gut, kommen Sie rein.«
Martin starrte den Schäferhund an, den Rolle am Halsband festhielt.
»Hallo, Wauwau.« Paula ging in die Hocke und kraulte den Hund hinter dem Ohr. Er hörte sofort auf zu bellen und ließ sich willig streicheln. »Bist du aber ein liebes Mädchen. Ja, das ist schön. Das gefällt dir.« Die Hündin schien im siebten Himmel zu sein.
»Nikki ist prima.« Rolle ließ das Halsband los.
»Komm, Martin.« Paula winkte ihn heran. Immer noch misstrauisch betrat Martin die Wohnung. »Sie will dich nur begrüßen. Keine Angst, sie ist ganz lieb.«
Zögernd gehorchte Martin. Er kraulte den großen Schäferhund und wurde von einer feuchten Zunge in seiner Handfläche belohnt.
»Siehst du, sie mag dich.« Paula grinste.
»Hm.« Martin schämte sich ein wenig. Aus der Nähe wirkte der Hund tatsächlich nicht besonders gefährlich.
»Nun müssen wir mal mit deinem Herrchen reden.« Paula stand auf. Nikki legte flehentlich den Kopf schief, bevor sie in der Wohnung verschwand.
»Ihre Einrichtung gefällt mir.« Paula sah sich um.
Rolle hatte eine kleine Einzimmerwohnung gemietet und legte offenbar keinen großen Wert auf Gemütlichkeit. Das Mobiliar bestand aus einem kleinen Holzbett mit zusammengestückelter Bettwäsche, einem großen alten Fernseher, der auf dem Fußboden stand, einem fusseligen braunen Sofa und einem klapprigen Tisch. Dem äußeren Anschein nach stammte alles vom Sperrmüll.
»Wir setzen uns in die Küche.« Rolle ging voraus.
Aus dem Melderegister wusste Martin, dass Rolle einunddreißig Jahre alt war, aber er sah mindestens zehn Jahre älter aus. Er war groß, ein wenig gebeugt, und das fettige Haar reichte bis über den Kragen seines verwaschenen Karohemds. Die Jeans war mit eingetrockneten Flecken und Rissen verziert, die nicht der Mode geschuldet, sondern auf die harte Tour zustande gekommen waren.
»Ich kann Ihnen gar nichts anbieten«, sagte Rolle sarkastisch und schnippte mit den Fingern. Sofort legte Nikki sich neben ihn.
»Nicht nötig«, erwiderte Paula. Den Unmengen von Geschirr im Spülbecken und auf der Arbeitsfläche nach zu urteilen, hätte es wahrscheinlich auch keine einzige saubere Tasse mehr zum Kaffeetrinken gegeben.
»Was wollen Sie denn von mir?« Er gab einen Seufzer von sich und nagte dann hochkonzentriert an seinem rechten Daumennagel. Einige Nägel waren so weit heruntergekaut, dass die Fingerkuppen vernarbt waren.
»Was wissen Sie über den Mann von nebenan?« Paula sah ihn an.
»Welchen Mann?«
»Na, wen wohl?«, sagte Martin. Er ertappte sich dabei, dass er Nikki zu sich herüberlockte.
»Ich nehme an, Sie meinen den Typen, der den Kopfschuss bekommen hat?« Gelassen erwiderte Rolle Paulas Blick.
»Richtig geraten. Und?«
»Und was? Ich habe keine Ahnung von der Sache. Das habe ich Ihnen schon beim ersten Mal gesagt.«
Paula sah Martin fragend an, er nickte. Er hatte mit Rolle gesprochen, als sie gleich nach dem Mord alle Nachbarn abgeklappert hatten.
»Stimmt, aber seitdem sind einige Dinge ans Licht gekommen.« Paula klang plötzlich streng. Insgeheim dachte Martin, dass er sie nicht zur Feindin haben wollte. Sie war klein, hatte allerdings mehr Mumm in den Knochen als die
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