Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Stimme klang weich, aber entschlossen. Patrik konnte nachvollziehen, dass ihre ständige Anwesenheit störte, aber andererseits war Freistatt die einzige Stelle, wo sie eventuell weitergehende Informationen entdecken könnten. Mats war noch immer ein unbeschriebenes Blatt, und mit Hilfe der Organisation, für die er sich engagiert hatte, würden sie dieses Blatt vielleicht mit Text füllen.
»Na gut, dann setzen Sie sich in unseren Pausenraum.« Seufzend zeigte Leila auf eine Tür. »Ich schicke Ihnen zuerst Thomas. Wenn Sie mit ihm fertig sind, können Sie Marie holen.« Sie strich sich die Haare hinters Ohr. »Anschließend wäre ich froh, wenn wir wieder in Ruhe unsere Arbeit machen dürften. Wir haben vollstes Verständnis dafür, dass die Polizei den Mordfall aufklären muss und fühlen mit Mattes Angehörigen. Aber wir machen hier eine wichtige Arbeit und haben dem, was wir bereits gesagt haben, nicht viel hinzuzufügen. Obwohl Matte vier Jahre lang bei uns gearbeitet hat, wissen nicht einmal wir besonders viel über sein Privatleben. Niemand hier hat eine Ahnung, wer ihn ermordet haben könnte. Außerdem ist es ja passiert, nachdem er hier aufgehört und die Stadt verlassen hat.«
Patrik nickte. »Ich verstehe. Wenn wir mit Ihren Angestellten geredet haben, kommen wir nach Möglichkeit nicht wieder.«
»Ich möchte nicht unhöflich wirken, aber dafür wäre ich Ihnen überaus dankbar.« Sie verließ den Raum, und Patrik und Gösta setzten sich ins Pausenzimmer.
Kurz darauf erschien ein großer dunkelhaariger Mann um die dreißig. Bei ihren früheren Besuchen hatte Patrik ihn im Vorübergehen gegrüßt, aber noch nie ein paar Worte mit ihm gewechselt.
»Sie haben mit Mats zusammengearbeitet?« Patrik hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und beugte sich mit gefalteten Händen vor.
»Ja. Ich habe kurz nach ihm hier angefangen. Wir waren also fast vier Jahre lang gleichzeitig hier.«
»Hatten Sie auch privat Kontakt?«, fragte Patrik.
Thomas schüttelte den Kopf. Seine braunen Augen wirkten ruhig, und er antwortete, ohne vorher lange nachzudenken.
»Matte lebte sehr zurückgezogen. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, wen er außer Leilas Neffen kannte. Sie scheinen allerdings auch den Kontakt zueinander verloren zu haben.«
Patrik seufzte innerlich. Genau das hatten alle Menschen aus Mats’ Umfeld gesagt.
»Wissen Sie, ob er Probleme hatte? Beruflich oder privat?«, meldete sich Gösta zu Wort.
»Nein, nichts dergleichen«, antwortete Thomas sofort. »Matte war irgendwie immer – Matte. Unheimlich ausgeglichen und stabil, niemals aufbrausend. Ich hätte es gemerkt, wenn irgendetwas nicht in Ordnung gewesen wäre.« Er sah Patrik in die Augen, ohne zu blinzeln.
»Wie ist er mit den Situationen umgegangen, denen Sie hier begegnen?«
»Wir alle hier sind natürlich tief berührt von den menschlichen Schicksalen, mit denen wir konfrontiert werden. Gleichzeitig muss man einen gewissen Abstand halten, um es auszuhalten. Matte ist das unheimlich gut gelungen. Er war immer warmherzig und menschlich, ohne sich persönlich zu stark zu engagieren.«
»Wie sind Sie hier gelandet? Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Freistatt das einzige Frauenhaus, das Männer einstellt, und Leila hat uns darauf hingewiesen, wie sorgfältig Sie ausgewählt wurden.«
»Leila hat sich unseretwegen viel Mist anhören müssen. Matte kam ja über ihren Neffen hierher, das wissen Sie vielleicht schon. Ich kenne Leila seit meiner Kindheit, weil sie die beste Freundin meiner Mutter ist. Nach meinem Freiwilligendienst in Tansania hat sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, hier zu arbeiten. Ich habe die Entscheidung nie bereut. Man trägt jedoch eine große Verantwortung. Wenn ich hier einen Fehler mache, ist das Wasser auf die Mühlen der Gegner von männlichen Mitarbeitern in Frauenhäusern.«
»Hatte Mats zu irgendjemandem eine engere Beziehung?« Patrik versuchte zu erkennen, ob Thomas etwas für sich behielt, aber sein Gesichtsausdruck wirkte genauso ruhig wie vorher.
»Nein, das ist streng verboten, nicht zuletzt aus dem Grund, den ich eben genannt habe. Wir brauchen ein professionelles Verhältnis zu den Frauen und ihren Familien. Das ist die oberste Regel.«
»Und an die hat Mats sich gehalten?«, fragte Gösta.
»Das tun wir alle«, erwiderte Thomas leicht beleidigt. »Unsere Arbeit lebt von unserem guten Ruf. Der geringste Fehltritt kann eine verheerende Wirkung haben und beispielsweise dazu
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