Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
etwas von ihm bleibt, meine ich.« Verlegen rückte Gunnar die Teller zurecht und schenkte Kaffee ein.
»Möchten Sie Zucker oder Milch? Oder beides?«
»Danke, ich trinke Kaffee gern schwarz.« Patrik setzte sich auf einen der weißen Küchenstühle.
Gunnar stellte eine Tasse vor ihn hin und setzte sich ihm gegenüber.
»Wir fangen schon mal an, Signe kommt gleich«, sagte er, nachdem er einen besorgten Blick in Richtung Treppe geworfen hatte. Von oben war kein Geräusch zu hören.
»Wie geht es ihr?«
»Sie hat seit gestern kein einziges Wort gesprochen. Nachher kommt der Arzt vorbei, hat er gesagt. Sie will nur im Bett liegen, aber heute Nacht hat sie kein Auge zugetan, glaube ich.«
»Sie haben viele Blumen bekommen.« Patrik deutete mit dem Kinn auf die Arbeitsfläche, wo in mehr oder weniger geeigneten Vasen jede Menge Sträuße standen.
»Die Leute sind mitfühlend. Sie haben auch angeboten, bei uns vorbeizukommen, aber ich ertrage jetzt keine Menschenmassen.« Gunnar rührte ein Stück Würfelzucker in seine Tasse und stippte einen Keks ein, bevor er ihn in den Mund steckte. Der Bissen schien ihm fast im Hals stecken zu bleiben, und er musste ihn mit einem Schluck Kaffee herunterspülen.
»Da bist du ja.« Er drehte sich zu Signe um, die durch den Flur kam.
Sie hatten sie nicht die Treppe herunterkommen hören. Gunnar ging ihr entgegen. Behutsam hakte er sich bei ihr ein und führte sie zum Tisch, als ob sie eine alte Frau wäre. Seit dem gestrigen Tag schien sie um Jahre gealtert zu sein.
»Der Doktor kommt bald. Trink ein bisschen Kaffee und nimm dir ein Stück Kuchen. Du brauchst was im Magen. Oder soll ich dir ein Butterbrot machen?«
Sie schüttelte den Kopf. Die erste Regung, an der man überhaupt erkennen konnte, dass die Worte ihres Mannes sie erreichten.
»Es tut mir so leid.« Patrik konnte es sich nicht verkneifen, seine Hand auf ihre zu legen. Sie zog sie nicht weg, reagierte aber auch nicht auf seine Berührung, sondern ließ die Hand wie einen abgestorbenen Körperteil auf dem Tisch liegen. »Am liebsten hätte ich Sie in einem solchen Moment oder, ja, so kurz danach überhaupt nicht gestört.«
Wie immer fiel es ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. Seit er selbst Vater war, bedrückte es ihn offenbar noch mehr, Menschen gegenüberzustehen, die ein Kind verloren hatten, egal, ob es noch klein war oder schon erwachsen. Was sagte man zu jemandem, dem das Herz aus dem Leib gerissen worden war? Denn so musste es sich anfühlen, dachte er.
»Wir wissen, dass Sie Ihre Arbeit machen müssen, und uns ist natürlich sehr daran gelegen, dass Sie denjenigen finden, der … das getan hat. Falls wir dabei irgendwie behilflich sein können, wollen wir das gern tun.«
Gunnar hatte sich neben seine Frau gesetzt und rückte nun mit seinem Stuhl noch näher zu ihr heran. Sie hatte ihren Kaffee nicht angerührt.
»Trink etwas.« Er hielt ihr die Tasse an die Lippen. Widerwillig trank sie ein paar Schlucke Kaffee.
»Über einige Dinge haben wir ja bereits gestern gesprochen. Vielleicht beginnen Sie damit, uns etwas mehr über Mats zu erzählen. Ganz egal, ob wichtige Begebenheiten oder Kleinigkeiten, suchen Sie sich aus, wonach Ihnen ist.«
»Er war schon als Baby so freundlich«, sagte Signe. Ihre Stimme klang rau. Als spräche sie nie. »Von Anfang an hat er durchgeschlafen und war nie anstrengend. Ich war trotzdem beunruhigt, schon immer. Im Grunde habe ich nur darauf gewartet, dass etwas Schreckliches passiert.«
»Du hast recht behalten. Ich hätte auf dich hören sollen.« Gunnar senkte den Blick.
»Nein, du hattest recht.« Signe sah ihn an. Sie schien plötzlich aus dem Dämmerzustand erwacht zu sein. »Ich habe so viel Zeit und Freude damit verschwendet, mir Sorgen zu machen, während du einfach dankbar warst und dich über das gefreut hast, was wir hatten. Über Matte. Auf so etwas kann man ohnehin nicht vorbereitet sein. Ich hätte öfter fröhlich sein sollen.« Sie verstummte. »Was wollten Sie wissen?« Diesmal nippte sie von sich aus an ihrer Tasse.
»Ist er gleich nach Göteborg gegangen, als er von zu Hause auszog?«
»Ja. Nach dem Gymnasium wurde er auf der Handelshochschule angenommen. Er hatte gute Noten.« Der Stolz war Gunnar anzumerken.
»Aber am Wochenende ist er oft nach Hause gekommen«, fügte Signe hinzu. Über den Sohn zu sprechen schien ihr gutzutun. Sie hatte etwas mehr Farbe im Gesicht, und ihr Blick wirkte klarer.
»Mit den Jahren wurden seine Besuche
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