Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
es ist eine halbe Ewigkeit her.«
»Annie ist hier.«
Erica sah ihn verblüfft an. »In Fjällbacka? Sie war schon seit Jahren nicht mehr da.«
»Nein, aber die Eltern von Mats haben erzählt, dass sie und ihr Sohn draußen auf der Insel sind, die ihrer Familie gehört.«
»Auf der Geisterinsel?«
Patrik nickte. »So wird sie genannt, aber ich glaube, sie hat eigentlich einen anderen Namen.«
»Gråskär«, sagte Erica. »Die meisten Leute hier in der Gegend sagen aber Geisterinsel. Es wird behauptet, dass die Toten …«
»… die Insel nie wieder verlassen«, vervollständigte Patrik grinsend ihren Satz. »Danke, von diesem Bohusläner Aberglauben habe ich schon gehört.«
»Wie kannst du dir so sicher sein, dass es Aberglaube ist? Wir haben einmal dort übernachtet, und anschließend waren zumindest ich und die Hälfte der Klasse überzeugt, dass es dort tüchtig spukt. Auf der Insel herrschte eine unglaublich seltsame Stimmung, und wir haben so merkwürdige Dinge gesehen und gehört, dass wir nie wieder eine Nacht dort verbringen wollten.«
»Den Phantasien von Teenagern messe ich nicht viel Gewicht bei.«
Erica stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite. »Jetzt sei nicht so nüchtern. Ein paar Gespenster machen das Leben spannender.«
»So kann man es auch sehen. Jedenfalls muss ich mit Annie reden. Seine Eltern sagten, Mats habe sie besuchen wollen, aber sie wussten nicht, ob etwas daraus geworden ist. Auch wenn ihre Freundschaft lange zurückliegt, hat er ihr vielleicht mehr erzählt …« Patrik schien laut zu denken.
»Da komme ich mit«, sagte Erica. »Gib mir Bescheid, wenn du hinfährst, dann bitte ich deine Mutter, die Kinder zu hüten«, fügte sie hinzu, bevor Patrik Einspruch erheben konnte. »Wir waren zwar nicht richtig befreundet, aber wir sind immerhin in eine Klasse gegangen. Vielleicht kann ich dir helfen, sie zum Reden zu bringen.«
»Okay«, brummte Patrik widerwillig. »Aber wir fahren erst am Freitag, weil ich morgen nach Göteborg muss.«
»Abgemacht.« Zufrieden schmiegte sich Erica in Patriks Arm.
Fjällbacka 1870
H at es geschmeckt?« Emelie stellte die Frage immer wieder, obwohl sie wusste, dass sie jedes Mal dieselbe Antwort bekommen würde. Ein Grunzen von Karl und eins von Julian. Der Speiseplan war hier draußen auf der Insel vielleicht etwas eintönig, aber dafür konnte sie nichts. Das meiste, was auf dem Tisch landete, brachten Karl und Julian von ihren Bootstouren mit, vor allem Makrelen und Schollen. Da sie bislang nicht mit nach Fjällbacka genommen worden war, wohin sie ein paar Mal im Monat fahren mussten, sah es mit den Einkäufen nicht rosig aus.
»Karl, ich wollte fragen …« Emelie hatte zwar noch keinen Bissen gegessen, aber sie legte ihr Besteck wieder hin. »Könnte ich euch nicht diesmal nach Fjällbacka begleiten? Ich habe schon lange keine anderen Leute mehr gesehen und würde mich unbändig freuen, mal wieder aufs Festland zu kommen.«
»Das kommt nicht in Frage.« Wie immer sah Julian sie mit diesem finsteren Blick an.
»Ich habe mit Karl gesprochen«, erwiderte sie ruhig, doch das Herz schlug ihr bis zum Hals. Es war das erste Mal, dass sie sich traute, ihm zu widersprechen.
Naserümpfend wandte sich Julian an Karl.
»Hast du das gehört? Muss ich mir das von diesem Frauenzimmer gefallen lassen?«
Karl blickte müde auf seinen Teller.
»Wir können dich nicht mitnehmen.« Offensichtlich betrachtete er das Gespräch damit als beendet, doch die Abgeschiedenheit war Emilie so an die Nerven gegangen, dass sie sich nicht beherrschen konnte.
»Warum nicht? Im Boot ist doch genug Platz, und wenn ich die Einkäufe selbst erledige, müssen wir nicht tagein, tagaus Makrele mit Kartoffeln essen. Wäre das nicht schön?«
Julian war bleich vor Wut. Er starrte noch immer Karl an, der abrupt aufstand.
»Du kommst nicht mit, und jetzt reden wir nicht mehr darüber.« Er zog sich die Jacke über und ging hinaus in den Wind. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Seit der Nacht, in der sie versucht hatte, sich Karl zu nähern, war es so. Seine Gleichgültigkeit hatte sich in etwas verwandelt, das Julians Abscheu ähnlich war. Er war ihr gegenüber von einer Bösartigkeit, die sie nicht verstand und der sie wehrlos ausgeliefert war. Hatte sie denn etwas so Grauenhaftes getan? War sie so abstoßend, so widerlich? Emelie versuchte sich an den Moment zu erinnern, in dem er um ihre Hand angehalten hatte. Natürlich war es überraschend gekommen,
Weitere Kostenlose Bücher