Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
Kannst du mir verraten, weshalb du so
grinst?“, entgegnete Lewia leicht genervt. „Es kann sein, dass ich mich irre,
aber für mich sieht er aus wie mein Meister Kardios“, löste Thalon auf. Lewia
stieß hörbar Luft aus. „Das könnte sein. Ich hab ihn ja nur einen Tag lang
gesehen, du hingegen kennst ihn schon fast dein ganzes Leben. Aber selbst wenn
er das ist…was würde uns das schon sagen? Und sagtest du nicht, dass Anthlo
hier ist?“, wollte Lewia wissen. Etwas verlegen suchte Thalon nach den
richtigen Worten, während ihn Emilia anstarrte, unschlüssig darüber, was sie
tun sollte. „Du hattest wahrscheinlich Recht. Ich hatte mir das wohl nur
eingebildet“, gab Thalon schließlich zu und schaute dabei bedrückt zu Boden.
„Du überrascht uns auch immer wieder. Auch vorhin auf diesem Platz! Ich habe
nicht gewusst, dass du so ein guter Kämpfer bist. Was war denn da los?“, fragte
Lewia wissbegierig. Thalon zögerte. „Ich weiß es nicht. In letzter Zeit
passieren viele Dinge mit mir, die ich nicht erklären kann“, antwortete er,
wobei seine letzten Worte deutlich leiser waren, als die ersten. „Bitte frag
nicht weiter nach“, fügte Thalon hinzu und für einen kurzen Moment entstand
eine peinliche Stille. Auf einmal schrie Emilia auf. Das schrille Geräusch fuhr
Lewia und Thalon gleichsam durch sämtliche Glieder. Beide fuhren herum und
statt ebenfalls zu erschrecken, zeichnete sich ein ungläubiges Lächeln auf
Thalons Lippen ab. „Ha, seht ihr? Ich hatte recht!“, rief Thalon
freudestrahlend. „Was im Namen von Oleiphea macht ihr denn hier? Ich dachte
schon, ich sehe dich nie wieder!“, freute sich Kardios und schloss seinen
verloren geglaubten Schüler in seine starken Arme. Die Umarmung dauerte lange
und am liebsten hätte Kardios seinen Schüler nicht mehr losgelassen. „Ich kann
es nicht glauben, dass ihr wirklich hier seid“, entfuhr es Kardios und all die
Einsamkeit, die er nach der Schreckensmeldung von Horalds Tod verspürt hatte, war
wie weggespült.
„Tja, wir haben viel zu erzählen!“, versprach
Thalon, während er Kardios und Emilia miteinander bekannt machte, seinen
Meister dabei in höchsten Tönen lobend.
Die ersten Tropfen fielen mit einem blechernen
Geräusch auf Trenus Rüstung. Er blieb stehen und warf einen Blick in den
Himmel, der sich innerhalb weniger Augenblicke verfinstert hatte. Wie dichte
Nebelschwaden hatten sich die finsteren Wolken vor die kühle Sonne des
Spätherbsttages geschoben. Schweren Säcken gleich hingen sie bedrohlich dort
oben und Trenu hatte das Gefühl, sie würden ihn zornig anblicken. Er für seinen
Teil wollte sich nicht vom schlechten Wetter aufhalten lassen und wollte gerade
seine Jagd fortsetzen, als der Schatten feststellte, dass er Thalon nicht mehr
spüren konnte. Diese verhasste Aura aus Licht, die den Jungen sonst umgab und
die sämtliche Schatten nicht nur sahen, sondern auch durch ein Stechen im
Körper deutlich spüren konnten, sowie durch einen markanten Geruch wahrnahmen,
war verschwunden. Er befand es für sonderbar, da er noch vor wenigen
Augenblicken dieses eigenartige Stechen vernommen hatte. Aber mit dem Aufkommen
der Wolken, die nun in Strömen auf ihn und die bereits nasse Straße vor ihm
nieder regneten, hatte er kein Lebenszeichen von Thalon mehr vernommen. „Pah,
es scheint, als ob Dunkelheit die Aura schwächer strahlen lässt, sodass wir sie
nicht mehr erkennen können. Dieser verdammte Junge hat scheinbar mehr Glück als
Verstand!“, erkannte Trenu und schickte einen lauten Fluch zum Himmel empor, ehe
er umkehrte und sich auf den Rückweg machte. Hier konnte er schließlich nichts
mehr tun und die Jagd blind fortzusetzen würde auch keinen Nutzen haben. „Warte
nur, Thalon! Meine Zeit wird noch kommen“, fügte er seinen vorherigen Worten
hinzu und verschwand dann in einer der Gassen.
Kardios führte sie in das Wohnzimmer, in dem er
zuvor im Sessel eingeschlafen war. Noch immer stürmte und regnete es draußen.
Der eisige Wind kroch pfeifend durch die Wände des Hauses und ließ die wenigen
Bäume im Gärtchen des Hauses wie Marionetten hin und her tänzeln. Es war ein
schauriges Szenario und doch fühlten sich alle in diesem Moment geborgen.
Kardios zündete den Kamin an, der sich in einer Ecke des beschaulichen
Wohnzimmers befand und vor dem es sich die vier gemütlich gemacht hatten. Er
schmiss einen Holzklotz in die wabernde Flamme und diese verschlang ihn mit
einem knackenden Geräusch. Es
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