Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
dauerte
zwar einen Moment, bis die Hitze zu ihnen zog, aber als die Wärme dann durch
die Knochen fuhr und sämtliche Glieder belebte, waren sie alle froh, im Inneren
dieses Hauses sein zu können. Thalon hatte begonnen zu erzählen, was sich alles
seit seinem plötzlichen Verschwinden vor mehreren Wochen zugetragen hatte,
während Lewia kommentierte und ergänzte. Auch Emilia spitzte die Ohren,
schließlich kannte auch sie noch nicht alles. Als Thalon an der Stelle ankam,
wie er in der Nacht durch den Schlossgarten geschlichen war, riss sie
begeistert die Arme hoch. „Da haben wir uns dann kennen gelernt!“, rief sie
freudig und in ihren Augen erkannte man seit langer Zeit wieder ihre kindliche
Begeisterung. Es war ihr möglich, wieder Kind zu sein und sich auch so zu
verhalten, hatte doch zuvor niemand Rücksicht auf das Alter des Mädchens nehmen
können. Mit einem Lächeln versuchte er, Emilia wieder zu beruhigen, war
allerdings auch selbst froh, wie ungezwungen sie nun sein konnten. Er wusste
nicht, ob es die bloße Anwesenheit von Kardios war, die sie alle so beruhigte,
aber es war ihm auch gleichgültig, woran es genau lag. Was für ihn zählte war
jetzt, dass sie alle wieder vereint waren und gemeinsam lachen und reden
konnten. Wer wusste schon, wie lange diese Ruhe halten würde?
Als er am Ende seiner langen Erzählung
angekommen war, staunte Kardios nicht schlecht, denn er hatte mit Vielem gerechnet,
aber nicht damit, dass ausgerechnet seinem Schüler solch gewaltige Bürde
auferlegt worden ist. „Nun, wie soll es weitergehen?“, erkundigte er sich
schließlich. Thalon atmete lange und tief aus. Er überlegte, was er antworten
sollte, aber er war nicht in der Lage, einen klaren Satz zu formulieren. Mit
seinen Gedanken war er bei seinem Erlebnis während des Kampfes. Was für einen
Pakt hatte er mit ihr geschlossen? Und vor allem zu welchem Preis? Er
versuchte, sich und seine wirren Gedankenkonstrukte zu ordnen. „Das ist eine
sehr gute Frage!“, sagte er schließlich ein wenig verbittert. „Wir haben doch
noch gar nicht die Seite angeschaut, die wir in der Bibliothek gefunden
haben!“, warf Lewia plötzlich ein und zwinkerte Thalon dabei zu. Dieser fuhr
sich ein wenig verlegen durch seine Haare. Er hatte bereits vollkommen
vergessen, weshalb er überhaupt in dieser stickigen Bibliothek gewesen war.
„Klingt nach einem Plan“, meinte er schließlich mit einem Lächeln, während
Lewia die Seite vorsichtig aus Thalons Beutel hervorholte, den sie, seitdem sie
ihn in der Bibliothek gefunden hatte, immer bei sich getragen hatte. Ein
seltsames Gefühl beschlich Thalon, als er den Arm ausstreckte, um die Seite
entgegen nehmen zu können. Sein Herzschlag wurde schneller und er atmete
schwerer, denn er wusste, dass dieses Schriftstück seine Aufgabe genauer
erläutern würde. Und davor hatte er Angst. Die letzten Tage war sein Ziel, mehr
über die Lichtritter und ihre Bestimmung herauszufinden, immer weiter in den
Hintergrund geraten und in diesem Moment hatte ihn alles wieder eingeholt.
Diesmal war es jedoch kein Feind, den er töten konnte. Auch weglaufen war keine
Option mehr. Wortlos nahm er die Seite und legte sie behutsam vor sich auf den
kleinen Tisch, an dem alle Platz genommen hatten. Er spürte, wie sich die
kleinen Härchen an seinen Armen aufstellten. Schließlich begann er, vorzulesen:
„Ba’Yanda, das Schwert der Toten, ist eine sagenumwobene Klinge, mit der der
erste Lichtritter in der Geschichte von Oleiphea dem Dämonen Baril das Haupt
herunter geschlagen hatte. Einer Erzählung nach, wurde sie von einem Schmied
der Seraphen, den ersten menschenähnlichen Bewohnern Oleipheas geschmiedet. Es
heißt, Ba’Yanda wurde aus Sternmetall gefertigt, einem äußerst seltenen Metall,
welches aus Meteoritenresten gefertigt wurden, die noch vor der Zeit selbst auf
Oleiphea eingeschlagen sein sollen. Nachdem das Schwert abgekühlt war, soll es
angeblich in Blut gelegt worden sein und so schließlich eine schwärzliche Farbe
erhalten haben. Der Seraphenschmied überreichte die Klinge seinem Schüler
Kenaion, der sich später als erster Lichtritter erwies und daraufhin los zog,
um Baril und seine Dämonenarmee zu vernichten. Nach Kenaions Tod wurde Ba’Yanda
als Heiligtum angesehen und von Lichtritter zu Lichtritter weiter gegeben. Als
der letzte Lichtritter im Jahr fünftes Zeitalter achthundertsiebenunddreißig
starb, gab man das Schwert in die Obhut des alten Geschlechtes der Twerge, die
geschworen
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