Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
Thalon fühlte sich nicht ermattet. Noch immer schlug sein
Herz in einem harmonischen Rhythmus. Thalon steckte Ba’Yanda zurück in die
Schwertscheide. Allmählich kehrte das Gefühl über seinen Körper wieder. Als er
das trügerische Paradies hinter sich ließ, blickte er einen Moment auf den See,
in dem er der Gestalt von Lewia begegnet war. Ohne etwas dabei zu fühlen,
wandte er sich schließlich ab. Sein Herz war kalt. Dann stieg er die Treppe
hinauf, die zurück zu den endlosen Gängen der Mine führte.
Oben angekommen sah er Vigil, der noch immer an der Stelle stand, an dem er
sich von Thalon verabschiedet hatte. Es wirkte so, als ob er die ganze Zeit
dort verharrt hätte. „Ich bin erfreut, Euch wiederzusehen. Wie ich sehe, habt
Ihr Ba’Yanda an Euch gebracht. Eine innere Stimme hat mir erzählt, dass Ihr zu
den Geistern der anderen Lichtritter aufgestiegen seid. Das ist eine große
Ehre. Außerdem verklangen die unheilvollen Rufe der Twergengeister“, sagte
Vigil und blickte den Lichtritter erfreut an. Der grimmige Eindruck, den Thalon
zuerst von Vigil hatte, war mittlerweile verflogen. „Ich habe sie von ihrem
Leid erlöst“, meinte Thalon trocken. „Damit, Lichtritter Thalon, habt Ihr mir
einen großen Gefallen getan. Denn Ihr habt nicht nur die Geister ins Reich der
Toten geschickt, Ihr habt auch mich befreit!“, rief Vigil voller Freude aus.
Die sonst gebeugte und ärmliche Statur des Mannes schien sich für diesen
Augenblick zu heben. „Nehmt dies hier, als Zeichen meiner unbeschreiblichen
Dankbarkeit“, sagte Vigil und holte hinter seinem Rücken die Laterne hervor.
„Aber wie kam sie zu Euch? Ich hatte sie gesucht und nicht mehr gefunden“,
stammelte Thalon und blickte dabei ungläubig auf das lichtspendene Behältnis.
Vigil legte seine faltige Hand auf die Schulter des Lichtritters. Er beugte
sich zu Thalon vor und schaute ihm tief in die Augen. Dann sagte er: „Wie ich
schon sagte, Thalon, gibt es Dinge, die unerklärlich sind. Doch dieses
Geheimnis möchte ich Euch verraten. Das rettende Licht, welches Ihr Euch von
der Laterne erhofft hattet, war nie verschwunden. Ihr fandet es jedoch an einem
anderen Ort. An einem Ort, an dem Ihr es zu der Zeit deutlicher gebraucht
habt.“ Er fuhr mit den Fingern Thalons Schulter hinab und ließ die Hand auf
dessen Herz liegen. „Hier war das Licht, als ihr es brauchtet. Jetzt soll Euch
die Laterne daran erinnern, dass auch in der finstersten Stunde Euer Herz und
Euer Glaube die Dunkelheit zum Tage machen kann“, sagte er schließlich, während
er die Laterne Thalon überreichte. In seiner Stimme lag etwas Feierliches,
obgleich es sich um eine Nichtigkeit wie ein kleines Geschenk handelte. „Ich
danke Euch für alles, was Ihr getan habt“, sprach Thalon seinen Dank aus und
nahm die Laterne entgegen. „Ich habe Euch zu danken!“, waren die letzten Worte
Vigils, ehe er sich, den Geisterseelen gleich, aufzulösen begann. Immer
durchsichtiger wurde seine Erscheinung. Schließlich entschwand die körperliche
Form und nachdem er verschwunden war, tanzten einzelne staubähnliche Teilchen
durch die Luft. Wie von einem Windstoß fort getragen, verteilten sie sich in
dem Gang. Respektvoll umfasste Thalon die kleine Laterne, die die letzte
Erinnerung an den seltsamen alten Mann darstellte, der zuerst so viel Ehrfurcht
in ihm ausgelöst hatte. Kurz bevor er seinen ewigen Frieden gefunden hatte, war
ihm Vigil eher wie ein Freund vorgekommen. Das Licht der Laterne leuchtete ihm
den Weg, als er sich auf den Rückweg machte. Er war nun bereit dafür, Oleiphea
zu verlassen und die Seelenwelt zu betreten. Er war bereit, der bekannten Welt den Rücken zu kehren und das
Unbekannte zu begrüßen.
Kapitel 19: Der lauf des schicksals
Mit einem edlen Gewand gekleidet, saß er auf dem
Thron von Weltenbrücke. Seine Haut war blass und kalt. Moros fühlte sich wie
eine krankhafte Abbildung seines früheren Ichs. Jedoch war er am Leben und war
seinem Ziel näher, als er es vor seinem Tod gewesen war. Zwar empfand er ein
befriedigendes Gefühl dabei, zu wissen, dass Dolansburg unter seine Kontrolle
stand, allerdings fühlte sich der Sieg noch nicht vollkommen an. Zu viel musste
noch getan werden, bevor er sagen könnte, dass er den Großen Bund zerschlagen hätte.
Mit ernster Miene blickte Moros gedankenverloren zu Boden. Er wirkte entspannt,
doch innerlich brodelte er. Die Glut des Hasses kochte in ihm wie die Lava in
einem Vulkan und drohte, jeden Moment
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