Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
verliebt gewesen! Schon oft war
ihm dieser Gedanke durch den Kopf geschossen, aber niemals hatte er daran gedacht,
es ihr zu sagen, aus Angst, damit alles zu zerstören. Nun war es dafür zu spät
und während kleine Tränen das Gesicht hinunterrollten, lernte er eine Lektion,
die einem nur das Schicksal beibringen kann. „Man erkennt immer erst was man an
einem Menschen hatte, wenn er nicht mehr in der Nähe ist“, wiederholte Thalon
seinen Gedanken flüsternd. Blitzartig merkte er, dass ein anderes Gefühl die
Traurigkeit in ihm ablöste. Das Gefühl war stärker als Trauer, brannte in ihm
wie ein loderndes Feuer und brachte ihn dazu, seine Hände krampfhaft zu Fäusten
zu ballen. Es war Wut, die sich unaufhaltsam in ihm ausbreite. Wut darüber,
dass er nicht da war, als es passierte, wütend darüber, dass er durch eine
höhere Macht einen Menschen verloren hatte, der ihm am Herzen lag. Ohne
Vorwarnung spürte er auf einmal eine Hand auf seiner Schulter. Im ersten Moment
dachte er, es sei Kathleen, die nicht tot war, sondern noch immer lebte, so wie
es noch vor kurzem der Fall war. Mit einem kleinen Funken Freude im Inneren
drehte er sich hastig um, vor ihm stand allerdings nicht Kathleen, sondern
Lewia. Ihr Blick war besorgt und verriet, dass auch ihr der Tod des Mädchens,
das sie nicht einmal kannte, zu Herzen ging. Er blickte sie lange an, immer
noch diese brodelnde und nur stark zu bremsende Wut. Er wollte sie anschreien
und sagen, sie solle verschwinden, irgendwas hielt ihn jedoch davon ab, wie
eine weise Stimme in seinem Kopf, die für Ordnung sorgte. Sie ergriff behutsam
seine Hand, während sie ihm tief in die Augen schaute, und er ließ es
geschehen. Dann fragte sie ruhig: „Willst du reden?“ Sie setzte sich zu ihm.
„Ja“, antwortete er nach kurzem
Schweigen . Er hielt es für das Beste, denn so könnte er sich
beruhigen und ihr im Anschluss auch gleich erzählen, dass er losziehen wolle
und sie ihn nicht begleiten soll. Möglichst schonend wollte er ihr es
beibringen, ja, so würde er es machen. „Kanntest du sie gut?“, begann sie
vorsichtig. „Ja, sie wohnte schon ein Jahr bei Kardios, als ich von ihm
aufgenommen wurde. Damals war sie, wie ich auch, noch sehr jung.“ Lewia schaute
einen Moment in den rabenschwarzen Himmel, der nur von einzelnen Sternen
erhellt wurde. Den Kopf wieder zu Thalon wendend, redete sie mit ihre weichen
und sanften Stimme auf ihn ein: „Ich hatte Geräusche gehört, also bin ich nach unten
gegangen, um zu schauen, was los ist. Verzeih mir, es war nicht meine Absicht,
dich zu stören.“ „Es ist schon in Ordnung“, entgegnete Thalon, nach einem
kleinen Seufzer. „Ich weiß, wie du dich fühlst! Ich habe auch so etwas
erlebt.“, begann Lewia zu erzählen. „Mein Bruder wurde ermordet und
niedergestreckt von ein paar lausigen Dieben, die nicht genug zu essen besaßen
und daher auf Raubzüge gehen mussten. Wegen ein paar lausigen Geldstücken
musste mein Bruder sterben. Es ist mittlerweile schon mehrere Jahre her, aber
es nagt immer noch in meinem Herzen, wie eine Bestie.“ „Es ist töricht“,
brachte Thalon heraus, „zu denken, dass die Welt schön und gerecht ist.
Anscheinend hat das Schicksal große Freude daran, Menschen immer das zu nehmen,
was ihnen sehr viel bedeutet. Es begann schon mit meiner Geburt in der
Sklaverei.“ Kurzzeitig hob Thalon den Kopf und schaute Lewia an, deren Blick
ihm verriet, dass sie interessiert an seiner Geschichte war, woraufhin er mit
seiner Erzählung fortfuhr: „Dann wurden mir meine Eltern genommen und nun auch
noch Kathleen, die einzige Person, die mir in irgendeiner Weise etwas bedeutet
hatte, abgesehen von Kardios. Und bei dir scheint es nicht anders gewesen zu
sein.“ Lewia nickte stumm. „Vielleicht sollte ich doch zusammen mit ihr die
Antworten auf meine Fragen suchen“, überlegte Thalon. Aber könnte er sich
jemals von Kardios trennen? Von seinem Meister, der ihn wie einen Vater
behandelt hatte? Er würde ja zurückkommen, sagte er sich und wenn er dann zu
Kardios zurückkommen würde, wäre dieser stolz auf seinen jungen Schüler. Also
begann er entschlossen, Lewia von seinem Plan zu erzählen: „Hör mal, ich weiß,
wir kennen uns eigentlich nicht, aber dennoch verbindet uns etwas: Die Wut, die
Traurigkeit und dieses Gefühl, eine reißende Bestie im Inneren zu haben, damit
kennen wir uns aus. Deswegen schlage ich vor, dass wir uns zusammen auf den Weg
machen, um diesen seltsamen Vorkommnissen
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