Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
Schädel.
Sie wusste nicht mehr, was passiert war, nachdem Thalon die Höhle verlassen
hatte. Thalon! Wo war er? Und wo war sie? Sie wollte sich bewegen, doch sie stellte
fest, dass ihre Arme und Beine mit festen Seilen zusammen gebunden waren. Dann
spürte sie, wie windig es war. Man könnte meinen, dass ein Sturm im Anmarsch
war. Noch ganz benommen schaute sie neben sich und erschrak. Mehrere Meter
unter ihr befanden sich Bäume, wenn nicht ganze Wälder. Ein wenig entfernt
davon erstreckten sich die Ausläufer des Estharielgebirge, dem gewaltigen
Gebirge, welches die westlichste Grenze von Weltenbrücke und die von ganz
Oleiphea darstellte. Niemand wusste genau, was sich dahinter verbarg. Ihr Blick
fiel nach vorne, weg von der Landschaft und erneut erschrak sie. Sie konnte
ihren Augen nicht trauen, wollte nicht glauben, was sie da sah. Ihr Körper lag
auf einer Sitzfläche, die sie an einen riesigen Sattel erinnerte. Dieser war
angebunden an etwas, was sie bisher nur aus Mythen und Erzählungen kannte. Sie
flog tatsächlich auf einem Drachen. Majestätisch bewegte das schwarz glänzende
schuppige Wesen seine gigantischen Flügel in einem ganz eigenen Rhythmus. Vor
ihr saßen zwei Männer im Sattel, bei deren Einblick urplötzlich wieder ein Teil
ihrer Erinnerung zurück kehrte.
Nachdem
Thalon sie verlassen hatte, hatten diese Männer kurz darauf die Höhle betreten
und sie gefesselt. Durch ihre Krankheit war sie zu schwach gewesen, sich zu
verteidigen und auch ihre magischen Fähigkeiten waren ihr nicht hilfreich, da
sie zu viel Kraft gekostet hätten, die sie zu dem Zeitpunkt nicht besessen
hatte. Ohne eine andere Wahl zu haben, hatte sie sich also überrumpeln lassen.
Wut war in ihr aufgestiegen, als einer der Männer mit den dunkelroten Pupillen
plötzlich mit gespielter sanfter Stimme auf sie eingeredet hatte. Seine Worte
hallten in ihrem Kopf noch lange nach: „Dank dir kommen wir unserem Ziel einen
großen Schritt weiter. Es ist mir schleierhaft, wie ihr beiden es geschafft
habt, uns so lange zu entfliehen, aber damit ist jetzt Schluss. Glaube mir,
wenn wir mit dir fertig sind, wirst du uns alles erzählen, was du weißt.“ Das
letzte woran sie sich dann erinnern konnte war ein dumpfer Schlag auf den
Hinterkopf. Man hatte sie einfach so ausgeschaltet. Und nun flog sie auf dem
Drachen, gefesselt und unbeweglich, darauf wartend, endlich erkennen zu können,
wohin die Reise ging. Sie fühlte sich hilflos und als ihr bewusst wurde, dass
Thalon sie niemals würde retten können, schluchzte sie leise. Außerdem war sie
immer noch krank, das spürte sie. Zwar ging es ihr im Moment ein wenig besser,
aber sie fühlte sich noch immer matt und erschöpft. Die dünne und kalte Luft
hier oben trug auch nicht gerade dazu bei, dass sie sich erholen konnte. Sie
hoffte, dass ihre Krankheit dadurch nicht noch schlimmer werden würde. Daran
nicht denken wollend, richtete sie ihren Blick auf die Landschaft unter ihr und
war erstaunt, als sie schließlich Llwyr, das Erkennungszeichen ihres
Heimatlandes in der Ferne sah. Doch noch bevor sie genauere Blicke auf die
gewaltigen Bäume mit ihren riesigen Kronen werfen konnte, senkte sich der
Drache und sie rollte unsanft gegen die Sitzerhebung vor ihr. Anscheinend kam
man dem Ziel näher. Plötzlich überkam sie ein Hustenanfall, den sie nicht
unterdrücken konnte. Sofort hatte sie die Aufmerksamkeit auf sich gerichtet,
denn einer der Soldaten schaute sie nun direkt an. „Ah, ist unser Gast auch
schon wach?“, fragte der Schatten mit Spott in der Stimme. In diesem Moment
fühlte sich Lewia nicht mehr stark, wie sie es sonst tat, sondern nur noch
einsam, klein und verloren. „Thalon, wo bist du? Rette mich!“, dachte sie
flehend.
Verzweifelt hatte Thalon doch noch versucht,
eine weitere Spur zu finden, um herausfinden zu können, in welche Richtung
Lewias Entführer geritten waren, allerdings ohne Erfolg. Schließlich gab er
auf, obwohl er am liebsten den ganzen Tag lang nach ihr gesucht hätte. Doch er
musste sich auf seine Aufgabe konzentrieren und zur Burg gelangen, wie er es
eigentlich geplant hatte. Er zwang sich zu einem müden Lächeln, bei dem
Gedanken daran, dass er einfach kein Glück hatte, bezüglich der Damenwelt. Erst
starb Kathleen und nun war auch noch Lewia verschwunden. Das konnte doch nur
Schicksal sein. Er hasste dieses Wort jetzt schon, obwohl er sagen konnte, erst
am Anfang seines Weges angekommen zu sein. Die einzelne Träne, die kaum merkbar
seine
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