Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
Wange hinunterlief weg wischend, konzentrierte er sich auf sein weiteres
Vorhaben. Er musste unbedingt dem König berichten, welches unheilvolle Gewitter
sich anbraute und er konnte nur hoffen, dass es über der Burg nicht schon
bereits blitzte und donnerte.
Als er am späten Nachmittag des sechzehnten
Oktan, als die Sonne gerade unterging, Dolansburg erreichte, schmerzten seine
Füße noch mehr als schon zuvor. Was gäbe er jetzt für ein angenehmes heißes
Bad. Einfach alles stehen und liegen lassen und die wohltuende Wärme des
Wassers spüren. Doch seine Aufgabe erlaubte nicht, dass er sich erholte. Er
musste unverzüglich mit dem König reden. So schnell er konnte lief Thalon auf
das große Tor der Burg zu und stellte mit Erschrecken fest, dass es
verschlossen war. „Das Tor ist sonst niemals verschlossen, es sei denn, es ist
etwas passiert, dann…“, murmelte er, während er auf und ab ging. Er Stocke, als
er seinen Satz in Gedanken zu Ende führte. Ein kalter Schauer lief ihm den
Rücken hinunter. Es musste doch einen Weg geben, in die Burg hinein zu
gelangen! Die Mauern waren allerdings zu hoch, als dass man einfach über sie
hinüber klettern konnte und auch das Tor aufzubrechen war eine Sache der
Unmöglichkeit. Nicht ohne Grund war die Burg der sicherste Ort im gesamten
Land. Verzweifelt lief Thalon die gewaltigen Mauern der Burg ab. Es war
mittlerweile dunkel geworden, als er eine kleine Stelle fand, die seine
Aufmerksamkeit erregte. Ein paar Steine waren hier aus der Mauer
herausgebrochen und die Steine außen herum schienen dadurch gelockert worden zu
sein. Das Glück hatte ihn also scheinbar noch nicht ganz verlassen. Mit den
bloßen Händen versuchte er jetzt, die einzelnen Steine weiter zu lockern und es
schaffte es mit großer Mühe tatsächlich, einen winzigen Spalt, durch den sich
ein Mann von nicht allzu breiter Statur gerade so hindurch zwängen konnte, frei
zu räumen. Als er schließlich seine Hände betrachtete, die von den rauen und
spitzen Kanten der Steine vollkommen zerkratzt und mit Blut überseht waren,
konnte er sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. Was man doch alles mit der
harten Arbeit erreichen konnte, wenn man nur bereit dazu war, Schmerzen in Kauf
zu nehmen! Ihm machte das nichts aus, aber es war ein sonderbarer Anblick. Mit
dem Ärmel seines Wamses wischte er das Blut an seinen Händen ab und zwängte
sich dann mit allergrößter Kraft durch den engen Spalt. Hin und wieder
befürchtete er, stecken bleiben zu können, doch er schaffte es, nach kurzer
Zeit, den Spalt zu durchqueren. Auf der anderen Seite angekommen, befand er
sich nun hinter der Häuserfront, in der die niedrigen Bediensteten des Hofes
lebten. An keinem anderen Ort in Oleiphea genossen Angestellte so viel
Reichtum. Die enge Gasse, die zwischen Mauer und Wand gebildet wurde, kam
Thalon, im Vergleich zu dem Spalt, durch den er sich soeben durchgekämpft
hatte, riesig vor. Als er aus der Gasse herausschlüpfte, befand er sich
schließlich in der etwas breiteren Straße, die zum Marktplatz führte.
Natürlich, es war bald Nacht und er erwartete nicht, jemanden zu treffen, aber
die Burg wirkte wie ausgestorben. Zwar standen noch alle Stände auf dem sonst
so gefüllten Platz, aber es war kein Laut zu vernehmen und in keinem der
Fenster brannte noch Licht, was verwunderlich war, wenn man bedachte, dass es
gerade erst eine gute Stunde dunkel sein konnte. Er fühlte sich erinnert an
Lewias und seine Ankunft in Donantal. Ein ähnliches Gefühl wie in dem kleinen
Dorf überkam ihn in dem Moment, als er in Richtung der königlichen Gemächer
ging, in denen der König selbst, die Wachen und die höheren Bediensteten
einquartiert waren. Mit einem Mal gefror sein Blut in den Adern, als er eine
kleine Patrouille aus einer der Ecken heraustreten sah. Mit schnellen Schritten
kamen sie in seine Richtung gelaufen. Ohne sein Schwert an seiner Seite fühlte
er sich verlassen und musste schleunigst das Sichtfeld der Männer verlassen,
bevor sie ihn entdecken würden. Denn die Männer, die da mit ihren langen
Speeren in den Händen auf ihn zu marschierten, waren nicht die Soldaten des
Königs. Stattdessen trugen sie einfache Rüstungen mit schwarz glänzenden
Schulterplatten. Kaum hatte er sich aus seiner Starre gelöst entschwand er
elegant hinter einer Häuserecke und drängte sich so weit nach hinten, wie er
nur konnte. Sein Atem kam ihm ungeheuer laut vor, sodass er sich einbildete,
man könne ihn noch aus großer
Weitere Kostenlose Bücher