Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
Entfernung atmen hören. Aus Angst presste er sich
noch weiter an die kalte Häuserwand. Lauter Fragen schossen ihm in den Kopf:
„Wer sind diese Leute nur? Sie sehen nicht so aus, wie die Schatten, denen ich
im Wald begegnet bin. Doch wer sind sie dann? Und was in Oleipheas Namen machen
sie hier? Wo sind die Soldaten des Königs?“
Immer schneller schlug sein Herz, als die
unbekannten Männer näher kamen. Auch als sie bereits an ihm vorbeigelaufen
waren, traute er sich nicht aus seinem Versteck, sondern verharrte dort noch
eine Weile. Vorsichtig schlich er sich schließlich heraus, den Blick erst nach
links, dann nach rechts wendend. Als er sicher war, dass sich niemand mehr in
seiner Nähe befand, verließ er seinen Unterschlupf und bewegte sich nun eng an
den Wänden entlang, immer im Schatten bleibend, bis er schließlich vor einem
eisernen und verrosteten Tor stand. Ihm gegenüber befanden sich die Gemächer,
die allerdings verschlossen waren, sodass er einen anderen Weg finden musste.
Er hatte sich an einen besonderen Gang erinnert, von dem Kardios einmal
gesprochen hatte. Von den Gemächern führte ein Fluchtweg direkt in den Garten
der verstorbenen Frau von Horald, Königin Eleonore. Nachdem das einzige Kind
von Eleonore und Horald kurz nach der Geburt gestorben war, hatte sie sich in ihren
Garten zurück gezogen. Horald konnte ihr die Freude am Leben nicht wieder geben
und so musste er zulassen, dass sie sich in ihrer Trauer ertränkte. Eines Tages
fanden ein paar Bauern ihre Leiche im Fluss, der nahe des Dorfes floss. Ihr
Garten, den sie zu Lebenszeiten immer sehr gepflegt hatte, hatte seine einstige
Pracht schon lange verloren und war langsam aber sicher verkommen. Horald hatte
den Tod seiner Frau lange nicht ertragen können. Es war eine Krise entstanden,
die den langen Frieden fast gefährdet hätte, aber mit der Hilfe seiner engsten
Generäle und dem Volk selbst, rappelte er sich wieder auf und regierte von da
an mit größerer Güte als jemals zuvor. Der Garten aber, durfte niemals mehr
gestutzt werden, außer wenn das Unkraut zu stark die Überhand übernahm, da
Horald der Meinung war, das Werk seiner Frau dürfe nicht angerührt werden. So
kam es, dass das Fleckchen Grün bald nur noch ein Zeugnis einer einstigen
Schönheit war. Der Geheimgang jedoch war immer noch intakt. Zumindest hoffte
Thalon dies, als er, bemüht kein Geräusch zu verursachen, über den eisernen
Zaun, bestehend aus einzelnen dünnen Stäben, kletterte. Ein kurzes Rascheln
ertönte, als er die andere Seite erreicht hatte. Immer wieder musste er sich in
das Gedächtnis rufen, an welcher Stelle des Gartens sich der Eingang befand.
Nur wage konnte er sich daran erinnern, denn selbst hatte er ihn nie gesehen,
sondern Kardios hatte ihm einmal auf einer Karte die Position gezeigt. Er
verglich nun das Bild der Karte mit dem, was er gerade sah. Doch es war
schwierig, sich in der Dunkelheit zu orientieren, zumal die verwucherten
Pflanzen und Sträucher keinerlei Anhaltspunkte boten. Sie bildeten abstrakte
Formen und wirkten ein wenig wie Geister, wenn der Wind durch die Äste und
Zweige der Pflanzen, Sträucher und Bäume fuhr. Thalon fühlte sich wie auf einem
Friedhof. Schauer durchfuhren seinen Körper, bei dem Gedanken daran, das
Heiligtum einer Toten zu betreten. Mit einem Mal erschrak er. Gerade war er
vorsichtig um eine große Dornenhecke herum geschlichen und nun blickte er in
die hohlen Augen einer Frau. Sie starrte ihn unbeweglich an. Erst im zweiten
Moment legte sich der Schrecken, denn es war lediglich eine Statue, die
Eleonore darstellte. Um sie herum befanden sich vier Säulen, die eine kleine
Überdachung trugen. Der Lichtschein der Fackel, die an einer Säule befestigt
war, erleuchtete die leblose Statue. Ihr langes lockiges Haar, die elegante
Kleidung und die weibliche Figur zeugten davon wie schön Eleonore gewesen sein
musste. Thalon musterte sie genau und war beeindruckt davon, wie makellos und
detailliert die Statue gearbeitet war. Unter ihr befand sich ein großer
kreisrunder Sockel, der ungefähr drei Fuß hoch war. Somit überragte die Statue
Thalon sogar um Längen, was bei seiner Größe von fast sechs Fuß schon sehr
beachtlich war. Irgendwas sagte ihm schließlich, dass sich an keiner anderen
Stelle außer an dieser, der Geheimgang befinden konnte. Sorgfältig suchte er
die Statue und den Sockel nach irgendetwas ab, was einen Hinweis darstellen könnte,
wo genau sich der Eingang befand. Beim genaueren
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