Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
sagen. „Horald ist krank gewesen?“, stammelte er endlich, immer wieder
die Zeilen auf dem Blatt lesend. „Das bedeutet nichts Gutes, oder?“, erkundigte
sich Emilia leise. Thalon lächelte über diese kindliche Unwissenheit. „Nein
Emilia, das bedeutet ganz und gar nichts Gutes. Vielmehr ist dieses
Schriftstück ein Beweis dafür, dass die Burg, und damit auf kurze oder längere
Zeit auch Weltenbrücke, verloren ist“, erklärte Thalon bitter. Nun war es
unverkennbar nach was die Eindringlinge in dem Raum gesucht hatten. Und so, wie
es in der königlichen Unterkunft aussah, hatte man sicherlich gefunden, wonach
man suchte. Somit wäre jeder Versuch, gegen Jasai und seinen Bruder vorzugehen,
Verrat am Heimatland, denn wie in dem Dokument dargestellt, war der Ring
Merkmal für den wahren König. Empörung stieg in Thalon auf, bei dem Gedanken
daran, dass Horald den Ring direkt in die Arme des Feindes getrieben hatte.
„Wie konnte er nur so töricht sein! Er hätte doch wissen müssen, dass die
Feinde ihn schnell finden würden!“, ließ er seinem Zorn freie Luft. Er atmete
tief ein und aus, um sich beruhigen zu können. Als er seine Hände betrachtete,
stellte er fest, dass sie schwach zitterten. Ansonsten sah man ihm äußerlich
seinen Kampf mit der Wut jedoch nicht weiter an. Innerlich allerdings war sein
Blut in Wallung gebracht worden und die Gedanken in seinem Kopf fuhren
ungeordnet ein und aus. Doch genau in diesem Moment der Aufgewühltheit geschah
es, da er sich an die Lehren seines Meisters erinnerte. Deutlich hörte er seine
männliche tiefe Stimme, die Stimme eines wahren Kämpfers, eine Stimme, die ihn
schon so oft beruhigt hatte. „Unsere Gefühle helfen uns, die Situation zu
ertragen, doch verhindern sie meist, den einen Augenblick zu überwinden, in
denen man sich ihnen hingegeben hat“, lauteten damals die Worte, als Thalon
einst einmal im Duell mit seinem Meister verzweifelt aufgegeben und trotzig wie
ein kleiner Junge sein Schwert zu Boden geworfen hatte. Und Kardios hatte
Recht! Was half es ihm, in Zorn zu versinken, waren seine Ängste und
Befürchtungen nicht einmal bestätigt. So konzentrierte er sich mit neu geweckter
Hoffnung darauf, vielleicht doch noch etwas zu entdecken, etwa eine kleine
Sache, die den hastigen Augen der ungeduldigen Schergen Jasais verschlossen
geblieben war. Er wusste, dass seine Aussichten auf Erfolg gering waren,
dennoch machte er sich daran, den Raum zu durchstöbern, wobei ihn Emilia
tatkräftig unterstützte, den wahren Wert der Aufgabe allerdings noch immer
nicht im vollen Ausmaße verstehend. Thalon schaute sich das Bild des Königs
genauer an. Horald war in herrschaftlicher Pose abgebildet worden trug den
goldenen Ring an seinem Finger. Die Hand des Königs war zu einer Faust geballt
und auf seine stolze Brust gelegt. „Der Ring am großen Herz des Königs“,
murmelte Emilia in Gedanken versunken. Die wenigen Worte des Mädchens ließen
Thalon aufhorchen. „Was hast du gerade gesagt?“, fragte er hastig. Gemächlich
wiederholte Emilia den Satz. Sofort warf Thalon einen genauen Blick an die
Stelle. „Aber natürlich! Wie konnte ich das nur übersehen!“, entfuhr es Thalon,
der sich durch die Haare fuhr und dann wie beflügelt zu dem königlichen
Schreibtisch eilte und begann, an dem vergoldeten Griff einer der Schubladen zu
drehen, bis dieser sich schließlich löste. Mit einem hellen und kaum hörbaren
Geräusch fiel ein kleiner Gegenstand auf den Boden. Thalon bückte sich und hob
mit glänzenden Augen den Ring auf, den er dann triumphierend in seiner Hand
hoch hielt. Der verwunderte Blick des Mädchens traf auf den seinigen und
erstaunt erkundigte sie sich: „Woher hast du gewusst, wo er steckt?“ Ein
breites Grinsen zeichnete sich in Thalons Zügen ab, so als habe er nur auf
diese eine Frage gewartet. Einen kurzen Augenblick schwieg er und genoss den
Moment der Unwissenheit Emilias. „Du sagtest, dass der Ring am Herz des Königs
sei“, begann er, als würde dadurch alles erklärt sein. Auf den fragenden und
erwartungsvollen Blick von Emilia hin, fuhr er fort: „Ich schaute also genauer
auf den Bereich im Bild, in dem der Ring zu sehen war. Dort entdeckte ich
schließlich, dass jemand erst kürzlich etwas dort hingeschrieben hatte. Ein
kleines Wort, für viele wahrscheinlich ohne jegliche Bedeutung, doch für die
Wissenden sagt es beinahe alles.“ Erneut machte er eine kurze Pause, um Emilias
Ungeduld weiterhin zu steigern. „Kaum jemand
Weitere Kostenlose Bücher