Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
ihrem Glück aber,
erreichten sie den Geheimgang ohne bemerkt zu werden und verließen so die
königlichen Gemächer.
Wieder im Garten angekommen, schritten sie beide
eiligst zu dem eisernen Tor, nachdem Thalon eine weitere Fackel aus der
Halterung einer der Säulen genommen hatte. Dann kletterten sie über das Tor
hinüber und rannten den großen Platz entlang, bis sie vor dem prunkvollen
Regierungsgebäude standen, von dem aus man den großen Turm betreten konnte, der
direkt an das Bauwerk angrenzte. Einen genauen Blick auf die Karte werfend,
stellte Thalon ungläubig fest, dass sie sich jetzt direkt vor dem Eingang der
Bibliothek befinden müssten. „Das ist doch vollkommen unmöglich“, murmelte
Thalon in Gedanken, während er die kalten und rauen Mauern des
Regierungsgebäudes abtastete. Für einen kurzen Moment zweifelte er sogar an der
Existenz seines Ziels, doch das würde auch bedeuten, dass Anthlo ihn angelogen
haben müsste, an dessen Worten er zu keiner Zeit gezweifelt hatte. Teilweise
drückte und zog er also an hervorstehenden Steinen, daran glaubend, dass sich
dadurch eine Geheimtür öffnen würde, allerdings ohne Erfolg. Er schüttelte den
Kopf. Es musste doch eine Möglichkeit geben, diesen Eingang zu finden.
Es war
wieder einmal Emilia, die ihn auf etwas aufmerksam machte. Das Mädchen deutete
auf eine unscheinbare Einkerbung innerhalb der Wand. Tatsächlich befand sich
auf der Höhe von Thalons Hüfte ein kleines kreisrundes Loch, welches wie ein
Schlüsselloch wirkte. Darum herum waren schwach die Konturen eines Auges
gezeichnet worden, von dem das Loch die Pupille bildete. „Das hätte ich vollkommen
übersehen, Emilia. Gut, dass ich dich habe!“, würdigte Thalon das Mädchen und
strubbelte sanft durch Emilias Haare. Sie warf daraufhin dem Lichtritter einen
bösen Blick zu, der allerdings schon in der nächsten Sekunde verflogen war.
Gespannt verfolgte sie nun Thalons weiteres Handeln. Er trat näher an die
Öffnung heran und betrachtete lange den schlüssellochähnlichen Hohlraum. Es war
kein perfekter Kreis, da einige winzige Ecken scheinbar herausgebrochen worden
waren. Ein spontaner Gedanke schoss ihm in diesem Moment in den Kopf, dem er
sofort nachgehen musste. Er holte behutsam den Ring aus seinem Beutel und
schaute sich diesen genau an. An einer Seite des Ringes war ein Edelstein
eingefasst worden, der von vier kleinen goldenen Blütenblättern umschlossen
war. Sorgfältig nahm er den Ring zwischen seine Finger und steckte den Teil mit
dem Edelstein in das Loch hinein. Mit Erstaunen stellte er fest, dass er
passte. Ein leises Klicken ertönte, als Thalon mit einer leichten Bewegung den
Ring nach rechts drehte. Freudig und erwartungsvoll, erfüllt mit Stolz auf sich
selbst, wartete er darauf, dass irgendetwas passierte. Sekunden verstrichen,
doch nichts geschah. Erst als Thalon den Ring erneut drehte, ertönte ein
schnelles metallisches Hämmern. Nur gedämpft drang es an die Ohren von Thalon
und Emilia, doch sie nahmen es deutlich wahr. Emilia hielt den Atem an, als
sich mit einem Mal ein ganzes Stück der Wand nach hinten bewegte und, einer Tür
ähnlich, zur Seite schwang. Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen betrat
Thalon den Gang und zog den Ring aus der Öffnung heraus, woraufhin sich die
steinerne Tür wieder zu schließen begann. „Nur Mut! Die Dunkelheit kann uns
doch nichts anhaben“, ermunterte er Emilia, die ihn mit skeptischen Blicken
ansah.
Eine hölzerne Treppe, die beachtlich unter dem
Gewicht der beiden knarrte, führte hinab. Ein seltsamer Geruch lag in der Luft.
Ein unangenehmer süßlicher Duft vermischte sich mit dem von leicht modrigen
Büchern. Als sie das Ende der Treppe erreicht hatten, weitete sich der Gang vor
ihnen und die Wände zweigten jeweils nach links und rechts ab. Die Fackel, die
Thalon in der Hand hielt, erleuchtete einen winzigen Teil der Bibliothek,
allerdings ein paar Schritte von Thalon entfernt verschluckte die Dunkelheit
bereits wieder alles. „Ziemlich beeindruckend das Ganze, oder nicht?“,
flüsterte ehrfürchtig Thalon, als er mit den Fingern über eines der zahlreichen
Bücherregale strich, die bis zur Decke reichen zu schienen. Seine Stimme hallte
schwach von den Wänden wieder und verlor sich im Nichts. Der Stil, in dem die
Bibliothek errichtet worden war, erinnerte ihn an das, was Kardios über die
Bauweise der Gnome erzählt hatte. Wie gebannt schritt er durch die Reihen, das
Buch suchend, welches Anthlo besaß und
Weitere Kostenlose Bücher