Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
Einschlafen noch gedacht hatte. Er stieß einen grummelnden Laut
aus und griff dann zu seinem Schwert. Langsam machte er sich auf, um den
Ursprung des Geräusches herauszufinden. Er nahm sich eine der Fackeln und
bewegte sich weg von Emilia, die bald im Dunkel hinter ihm verschwunden war.
Nur kurz nachdem sie die Heimat des alten Volkes
betreten hatten, waren sie auch schnell von den Bewohnern des Berges entdeckt
worden. Aus den durchlöcherten Wänden, die fast wie tausende pechschwarze Augen
wirkten, waren sie heraus geklettert. Die kleinen Wesen, die mehrere hundert
Jahre alt sein mussten, näherten sich ihnen mit gemächlichen Schritten. Ihre
Gliedmaßen waren unmenschlich verzerrt. Sie wirkten ausgehungert. Die Beine
nicht größer als die von Kindern, der Oberkörper, sowie die Arme mager und
schlank. Die Lumpen, mit denen sie ihre schmächtigen, ehemals muskulösen und
starken Körper, bedeckten, hingen schlaff herunter. Man merkte deutlich, dass
die glorreiche Zeit des vierten Zeitalters, in der die Gnome das größte Volk in
Oleiphea waren, lange vorbei war. Im fünften und längste Zeitalter in der
Geschichte Oleipheas, das der Twerge, waren die Gnome als die Vorfahren der
Twerge angesehen und die beiden großen Völker hatten weitestgehend friedlich
miteinander gelebt. Dann waren allerdings die Menschen unter der Führung von
Galmor dem Eroberer eingefallen und hatten Oleiphea für sich beansprucht. Nur
wenige Jahre später hatte es keinen einzigen Gnom mehr in Oleiphea gegeben,
außer die wenigen, die sich in die Feste zurückgezogen hatten, in der sich die
tapferen Männer des Königs gerade befanden. Die krausen Bärte verdeckten fast
das ganze Gesicht der Wesen und doch sah man deutlich, dass ihre finsteren
Augen, die zu einem engen Schlitz verformt waren, Kardios und seine Männer anschauten.
Die Blicke waren so durchbohrend, dass man meinen könnte, die Wesen seien im
Stande damit die Haut und Knochen zu durchdringen und ihnen direkt in die Seele
zu blicken. Unsanft wurden sie zusammengedrängt und immer weiter in die
beklemmenden Gänge und Katakomben geschoben. Da sie in friedvoller Absicht her
kamen und wussten, wie leicht die sowieso schlechte Stimmung der Gnome noch
stärker abfallen konnte, schwiegen die Männer und ließen sich von den
kleinwüchsigen Wesen, die ihnen gerade bis knapp unter die Brust reichten,
durch den Berg führen. Es war fast stockdunkel und es dauerte eine Weile, bis
sich die Augen der Menschen an die Finsternis gewöhnt hatten. Doch jetzt erkannten
sie in dem dunklen schwarzblauen Licht die wahren Ausmaße des Berginneren. E ine
große Höhle, die fast fünfhundert Fuß lang und ungefähr einhundert Fuß breit
war, eröffnete sich vor ihnen, nachdem sie einem großen Gang eine Zeit lang
gefolgt waren. Hier war alles beleuchtet, denn in der Mitte der Höhle brannte
ein Feuer in einer gigantischen Schale. Oben in der Decke war ein kreisrundes
Loch, durch das zum einen Tageslicht herein strömte und zum anderen der Rauch
der Flammen abziehen konnte. „Das ist das ewige Feuer. Die Gnome hüten es einer
Legende nach wie einen Schatz“, flüsterte Kardios zu seinen Männern, während
die Gnome sie immer weiter schoben. In den Wänden der Höhle waren einfache
Häuser aus Stein gebaut worden, die in einem blassen Braunton im Licht des
Feuers glänzten. Riesige Säulen, die einen Durchmesser von zwanzig Fuß hatten,
ragten nach oben und stützen so die Höhlendecke. „Unglaublich das Ganze!“ , entfuhr es einem der Gefährten. „Schweig,
Mensch!“, fuhr ihn daraufhin ein Gnom mit harschem Ton an. Wie Sträflinge kamen
sich die Menschen vor, als sie quer durch die Höhle geführt wurden, bis sie
schließlich am Ende dieser ankamen. Ein mächtiges Tor aus Kupfer wurde geöffnet
und gab die Sich auf eine Halle frei, in der ein Gnom auf einem steinernen
Thron saß. In der Hand hielt er einen eleganten Stock, der aus dem Holz eines
alten Baumes geschnitzt sein musste. Er wirkte müde und dennoch verärgert. Er
trug einfachen Schmuck, welcher für die Gnome wohl ein Vermögen wert sein
musste. Man führte sie genau zu diesem Gnomen hin und befahl ihnen, vor ihm auf
die Knie zu gehen. Der Gnom erhob sich von seinem majestätischen Sitz und
zeigte mit seinem Stab auf Kardios. Ihm war anzumerken, wie verärgert er über
das Auftreten von Menschen in seinem Herrschaftsgebiet war. „Du siehst aus, wie
Anführer dieser Männer! Liege ich richtig?“, fragte er. Kardios nickte
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