Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
zurück.
»Im Stella-Rivers-Fall hätten wir mit den Briefen die Wände dieses Büros tapezieren können«, sagte er, »und wir sind allen nachgegangen. Es kamen fünfhundertdreiundzwanzig Anrufe. Was da bloß alles in den Köpfen der Leute vorgeht, Mike, die Macht ihrer Einbildung! Fast alle haben sich in bester Absicht gemeldet. Neunzig Prozent dachten wirklich, sie hätten Stella gesehen, und...«
Burden unterbrach ihn. »Ich wollte das mit Swans Alibi wissen.«
»Swan hat Stella nach ‘Equita’ gefahren. Das war um halb drei. Blöder Name, nicht? Ob das nun was mit Pferden auf lateinisch oder mit Equivalent zu tun haben soll, könnte ich auch nicht sagen.«
Burden reagierte immer ungeduldig auf solche Abschweifungen. »Was für einen Wagen fährt er?«
»Keinen roten Jaguar. Einen ältlichen Ford-Kombi. Er hat sich am Tor von Stella verabschiedet in dem Glauben, Freunde würden sie mit zurücknehmen, wie er sagte, und fuhr wieder nach Hause. Um halb vier ist er selber ausgeritten, mit diesem Sherry-Untier, und zwar nach Myfleet, um dort, glauben Sie’s oder nicht, einen Mann wegen eines Hundes aufzusuchen.«
»Sie machen Witze.«
»Würde ich das tun? Über so eine Sache? Da wohnt ein gewisser Blain in Myfleet, der Pointer züchtet. Swan sah sich ein paar Welpen an mit dem Hintergedanken, eventuell einen für Stella zu kaufen. Natürlich hat er keinen gekauft, genausowenig, wie er je das Pony gekauft hat, das er ihr versprochen hatte, oder ihren Namen ändern ließ. Swan ist der Typ, der immer ‘gerade auf dem Weg ist, etwas zu tun’. Ein großer Planer vor dem Herrn, das ist er.«
»Aber er hat diesen Mann aufgesucht?«
»Blain sagte uns, Swan sei von zehn vor vier bis Viertel nach vier bei ihm gewesen, aber er kam erst um halb sechs nach Hall Farm zurück.«
»Und wo war er seinen Angaben nach in diesen eineinviertel Stunden?«
»Einfach herumgeritten, sagt er. Das Pferd hat Auslauf gebraucht. Vielleicht mußte es auch gewaschen werden, denn beide, Reiter und Pferd, waren offenbar bis auf die Haut durchnäßt, als sie nach Hause kamen. Aber so merkwürdig das auch klingt, es paßt zu Swan. Er würde tatsächlich hoch zu Roß im Regen herumtraben. Sein Weg führte ihn, wie er sagt, durch Cheriton Forest, doch er konnte keine einzige Person nennen, die das bestätigte. Andererseits hätte er Zeit genug gehabt, zur Mill Lane zu reiten und Stella zu töten. Aber wenn er das getan hat, warum hat er es getan? Und was hat er mit der Leiche gemacht? Seine Frau hat ebenfalls kein Alibi. Sie behauptet, in Hall Farm gewesen zu sein, und sie kann nicht Auto fahren. Zumindest hat sie keinen Führerschein.«
Burden verarbeitete all das sorgfältig. Dann entschied er, daß er mehr über Stellas Weggang von ‘Equita’ wissen wollte. Er wollte die Einzelheiten wissen, die Wexford ihm aus Zeitmangel nicht hatte geben können, als sie zusammen im Auto in der Fontaine Road gesessen hatten.
»Die Kinder«, erklärte Wexford, »hatten eine Stunde Reiten, und dann haben sie sich noch eine Stunde mit den Pferden beschäftigt. Miss Williams, die Besitzerin von ‘Equita’, die in einem an die Ställe angrenzenden Haus wohnt, sah Stella zwar an jenem Nachmittag, sprach aber ihren Angaben nach nicht mit ihr, und wir haben keinen Grund, ihre Aussage anzuzweifeln. Mrs. Margaret Fenn hat die Kinder an dem Tag unterrichtet. Sie ist Witwe, so um die Vierzig, und sie wohnt in dem Häuschen, das als Pförtnerhaus zu Saltram House gehörte. Kennen Sie es?«
Burden kannte es. Die Ruine von Saltram House und sein Park, inzwischen zur Wildnis geworden, hatten zu seinen und Jeans Lieblingsplätzchen gehört. Für sie war es ein romantischer Ort gewesen, eine verlassene Domäne, wo sie als jungverheiratetes Paar oft Abendspaziergänge gemacht hatten, und wohin sie später oft mit ihren Kindern zum Picknick zurückgekehrt waren.
Den ganzen Tag über hatte er kaum an Jean und seine glückliche Vergangenheit mit ihr gedacht. Sein Elend war durch die gegenwärtigen aufregenden Ereignisse zurückgedrängt. Doch jetzt sah er wieder ihr Gesicht vor sich und hörte sie seinen Namen rufen, als sie die Gärten erkundeten, welche die Zeit in Brachland verwandelt hatte, und dann Hand in Hand die dunkle, kalte Hausruine betraten. Ihn fröstelte.
»Sind Sie okay, Mike?« Wexford sah ihn kurz und besorgt an, dann fuhr er fort: “Stella verabschiedete sich von Mrs. Fenn und sagte, da ihr Stiefvater - übrigens nannte sie ihn immer ihren
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