Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
rief immer Unbehagen bei ihm hervor. Verwundert fragte er sich, wie ein so schönes und charmantes Wesen es in solch einem Chaos aushalten konnte; und er war noch mehr verwundert, als sie hereinkam, denn sie wirkte völlig verändert, fast elegant und mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht.
»Sie hätten meinetwegen nicht aufzulegen brauchen«, sagte er und bemühte sich, nicht allzu auffällig auf ihr kurzes, königsblaues Kleid zu stieren, auf die langen Silberketten um ihren Hals und den silbernen Kamm in ihrem hochaufgetürmten Haar.
»Das war Matthew«, sagte sie. »Man hat ihm ein Telefon gebracht, und er hat mich von seinem Krankenbett aus angerufen. Er ist sehr beunruhigt wegen John, aber ich habe ihm gesagt, es sei schon gut. Am Montag sei alles wieder in Ordnung. Er hat so viele Sorgen, der arme Junge. Er liegt im Krankenhaus, und seine Frau erwartet ein Baby, und er ist arbeitslos, und jetzt auch noch das.«
»Arbeitslos? Was macht er denn beruflich?«
Sie setzte sich ihm gegenüber und schlug die attraktivsten Beine übereinander, die Burden je meinte gesehen zu haben. Er schaute intensiv auf einen Punkt am Fußboden neben ihren Füßen.
»Er ist Fernsehschauspieler, jedenfalls, wenn er Arbeit kriegen kann. Er wünscht sich so sehr, ein fester Begriff bei den Leuten zu werden. Das Dumme ist nur, sein Gesicht ist nicht richtig dafür. Oh, ich meine nicht, daß er nicht gut aussieht. Er ist nur zu spät geboren. Er sieht genau aus wie Valentino, und das ist heutzutage nicht gefragt. John wird mal ebenso aussehen wie er, er sieht ihm jetzt schon sehr ähnlich.«
Matthew Lawrence... Irgendwie klingelte es entfernt bei dem Namen. »Ich glaube, ich habe sein Bild mal in der Zeitung gesehen«, sagte Burden.
Sie nickte ernsthaft. »Als Begleiter von Leonie West, nehme ich an. Sie wurde ja fotografiert, wo sie ging und stand.«
»Ich kenne sie. Eine Ballettänzerin. Meine Tochter ist ganz verrückt auf Ballett. Ja, ich glaube, genau da habe ich Ihren Exmann schon gesehen, auf Bildern mit Leonie West.«
»Matthew und Leonie waren jahrelang liiert. Dann lernte er mich kennen. Ich war damals auf der Schauspielschule und hatte eine kleine Rolle in einer Fernsehserie, in der er spielte. Bei unserer Heirat hat er mir versprochen, den Kontakt zu Leonie abzubrechen, aber er hat mich nur geheiratet, weil er ein Kind wollte. Leonie konnte keine Kinder bekommen, sonst hätte er sie geheiratet.«
All das hatte sie mit sehr kühler, sachlicher Stimme gesagt, doch nun seufzte sie und schwieg. Burden wartete, er war gar nicht mehr müde, ja sogar interessierter als gewöhnlich an fremden Lebensgeschichten, obgleich diese ihn auf seltsame Weise verwirrte.
Nach einer Weile fuhr sie fort. “Ich habe versucht, unsere Ehe in Gang zu halten, und als John geboren war, dachte ich, wir hätten eine Chance. Dann fand ich heraus, daß Matthew Leonie immer noch traf. Schließlich bat er mich um die Scheidung, und ich habe eingewilligt. Der Richter beschleunigte das Scheidungsurteil, weil ein Kind unterwegs war.«
»Aber Sie sagten doch, Leonie West konnte keine...«
»Oh, nicht Leonie. Er hat sie nicht geheiratet. Sie ist Jahre älter als er. Sie muß inzwischen Mitte Vierzig sein. Er hat eine Neunzehnjährige geheiratet, die er auf einer Party kennengelernt hatte.«
»Liebe Güte«, sagte Burden.
»Sie bekam das Baby, aber es lebte nur zwei Tage. Deshalb drücke ich ihnen jetzt die Daumen. Diesmal muß es einfach klappen.«
Burden konnte seine Gefühle nicht länger für sich behalten. “Hegen Sie denn gar keinen Groll?« fragte er.”Ich hätte angenommen, daß Sie ihn und seine Frau und diese West hassen?«
Sie zuckte die Achseln. »Arme Leonie. Man könnte sie inzwischen eher bedauern als hassen. Außerdem mochte ich sie eigentlich immer ganz gern. Ich hasse auch Matthew nicht oder seine Frau. Sie konnten nichts dafür. Man konnte ja nicht erwarten, daß sie alle meinetwegen ihr Leben ruinieren.«
»Es tut mir leid, aber ich bin in solchen Dingen ziemlich altmodisch«, sagte Burden. “Ich glaube an Selbstdisziplin. Die haben Ihr Leben ruiniert, oder etwa icht?«
“Oh, nein ! Ich habe John, und er macht mich sehr glücklich.«
»Mrs. Lawrence...«
»Gemma!«
»Cemma«, sagte er unbeholfen. »Ich muß Sie warnen, sich nicht allzuviel von Montag zu versprechen. Ich glaube, Sie sollten sich am besten gar nichts davon versprechen. Mein Chef - Chief Inspector Wexford - hat absolut kein Vertrauen in die
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