Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
Glaubwürdigkeit dieses Briefes. Er ist sicher, daß es sich um einen Schwindel handelt.«
    Sie wurde etwas blaß und verschränkte ihre Hände ineinander. »Niemand würde solch einen Brief schreiben«, meinte sie unschuldig, »wenn es nicht wahr wäre. Niemand könnte so grausam sein.«
    »Aber die Menschen sind grausam. Das sollten Sie doch wissen.«
    »Ich glaube es nicht. Ich weiß, John wird am Montag dasein. Bitte - bitte verderben Sie es mir nicht. Ich halte daran fest, es hat mich so glücklich gemacht.«
    Er schüttelte hilflos den Kopf. Ihr Blick flehte, bat ihn um ein ermutigendes Wort. Und dann, zu seinem Entsetzen, fiel sie vor ihm auf die Knie und umklammerte seine Hände.
    »Bitte, Mike, sagen Sie, daß Sie glauben, es geht alles in Ordnung. Sagen Sie nur, daß es eine Chance gibt. Es könnte doch sein, oder? Bitte, Mike!«
    Ihre Nägel gruben sich in seine Handgelenke. »Es gibt immer eine Chance...«
    »Mehr als das, mehr als das! Lächeln Sie, zeigen Sie mir, daß es eine Chance gibt.« Er lächelte beinah verzweifelt. Sie sprang auf. »Bleiben Sie hier. Ich mache Kaffee.«
    Der Abend brach herein. Bald würde es ganz dunkel sein. Er wußte, er sollte eigentlich jetzt gehen, ihr hinaus folgen und energisch sagen: ‘Also, wenn Sie okay sind, ich muß gehen.’ Hierbleiben war falsch, überschritt völlig die Grenzen seiner Pflicht. Wenn sie Gesellschaft brauchte, dann sollte es Mrs. Crantock sein oder einer ihrer seltsamen Freunde.
    Er konnte nicht gehen. Es war unmöglich. Was für ein Heuchler er doch war mit all seinem Gerede von Selbstdisziplin. »Jean?« sagte er und ließ ihren Namen prüfend über seine Lippen. Würde Jean zu Hause auf ihn warten, gäbe es kein Bleiben, wäre Kontrolle unnötig.
    Sie kam mit dem Kaffee, und sie tranken ihn im schwachen Licht der Dämmerung. Bald konnte er sie kaum noch erkennen, dennoch war ihre Gegenwart stärker fühlbar. Einerseits wünschte er, sie würde Licht machen, doch andererseits auch wieder nicht. Denn damit würde sie die Atmosphäre zerstören: warm, dunkel und erfüllt von ihrem Duft, gleichzeitig erregend und doch friedvoll.
    Sie goß ihm Kaffee nach, und ihre Hände berührten sich. “Erzählen Sie mir von Ihrer Frau«, sagte sie.
    Er hatte nie mit jemandem darüber gesprochen. Er gehörte nicht zu den Männern, die jedem ihr Herz öffnen. Grace hatte versucht, ihn aus der Reserve zu locken. Dieser Idiot Camb hatte es versucht, und auf taktvollere Weise auch Wexford. Dabei hätte er gern mit jemandem darüber geredet, wenn sich nur der rechte Zuhörer gefunden hätte. Diese schöne, gütige Frau war nicht der geeignete Zuhörer. Was verstand sie mit ihrer seltsamen Vergangenheit, ihrer eigenartigen Freizügigkeit von seiner Vorstellung von Monogamie, seinem auf eine Frau bezogenen Leben? Wie konnte er ihr von seiner einfachen, sanften Jean erzählen, ihrem friedlichen Leben und ihrem schrecklichen Tod?
    »Das ist jetzt alles vorbei«, sagte er kurz. »Am besten vergesse ich es.« Zu spät wurde ihm klar, welch einen Eindruck seine Worte hinterlassen mußten.
    »Auch wenn Sie nicht besonders glücklich waren«, sagte sie, »es ist nicht die Person, die Ihnen fehlt, Ihnen fehlt Liebe.«
    Er sah die Wahrheit darin. Sogar für ihn stimmte das. Aber Liebe war nicht ganz das Wort. In diesen Träumen, die er hatte, war keine Liebe, und Jean kam nie darin vor. Wie um seine eigenen Gedanken zu leugnen, sagte er schroff: »Es heißt, man könne einen Ersatz finden, aber es geht nicht. Ich kann es nicht.«
    »Keinen Ersatz. Das ist das falsche Wort. Aber jemand anders für eine andere Art von Liebe vielleicht.«
    »Ich weiß es nicht. Ich muß jetzt gehen. Machen Sie kein Licht.« Die grelle Helligkeit würde zu sehr enthüllen, was sich nach dem unterdrückten Schmerz auf seinem Gesicht abspielte und, schlimmer noch, den Hunger nach ihr, den er nicht länger verbergen konnte. »Machen Sie kein Licht!«
    »Das wollte ich auch nicht«, sagte sie sanft. »Kommen Sie her.«
    Es war ein flüchtiger, kleiner Kuß auf die Wange, den sie ihm gab, wie eine Frau ihn einem Mann gibt, den sie seit Jahren kennt, dem Mann einer Freundin vielleicht, und er wollte ihn eigentlich in derselben Weise erwidern, indem er ihre Wange berührte, kameradschaftlich, beruhigend. Doch er fühlte sein Herz klopfen und ihres daneben, als habe er zwei eigene Herzen. Ihre Lippen trafen sich, und seine lang aufrechterhaltene Kontrolle brach zusammen.
    Er küßte sie mit seiner

Weitere Kostenlose Bücher