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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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tropfte es unablässig von den vernachlässigten Bäumen. Ihm fiel ein, was Martin über ihr Trinken gesagt hatte, dann die Äußerungen der Crantock-Tochter, und nach einem weiteren vergeblichen Klingeln ging er zum Hintereingang. Der Pfad war beinah so verwuchert wie die Wege in den Gärten von Saltram House. Er stieß nasse Holunderzweige und glitschige Schlingpflanzen beiseite, die sein Haar und seinen Regenmantel durchnäßten. Seine Hände waren so naß, daß er kaum den Griff der Hintertür drehen konnte, aber die Tür war nicht abgeschlossen, und schließlich bekam er sie auf. Sie lag halb auf dem Küchentisch, den Kopf auf die ausgestreckten Arme gelegt, vor ihr stand eine ungeöffnete Flasche mit der Aufschrift: ‘Chiantitype wine, Produce of Spain. Angebot der Woche, 30% reduziert.’ Er ging langsam zu ihr hin und legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Gemma...«
    Sie sagte nichts. Sie bewegte sich nicht. Er zog einen Stuhl heran, ganz dicht an ihren, und nahm sie sanft in die Arme. Sie lehnte sich widerstandslos gegen ihn, ihr Atem ging flach und rasch, und Burden vergaß all seine Leiden der vergangenen Woche, seinen Kampf gegen die Versuchung, in einem überwältigenden, egoistischen Glücksgefühl. So könnte er sie für immer halten, dachte er, warm und wortlos, ohne Leidenschaft oder Begierde, und ohne daß sich etwas ändern müßte.
    Sie hob den Kopf. Ihr Gesicht war fast nicht wiederzuerkennen, so verschwollen war es vom Weinen. »Du bist nicht gekommen«, sagte sie. »Tag für Tag habe ich auf dich gewartet, und du bist nicht gekommen.« Ihre Stimme klang erstickt und fremd. »Warum nicht?«
    “Ich weiß es nicht.« Das stimmte. Er wußte es wirklich nicht, denn jetzt erschien ihm sein Widerstand wie der Gipfel grundloser Torheit.
    »Dein Haar ist ganz naß.« Sie berührte sein Haar und die Regentropfen auf seinem Gesicht. »Ich bin nicht betrunken«, sagte sie, »aber ich war’s. Dies Zeug ist ziemlich eklig, aber es betäubt einen für ein Weilchen. Heute nachmittag wollte ich was zu essen kaufen - ich habe seit Tagen nichts gegessen -, aber ich habe nichts gekauft, ich konnte einfach nicht. Als ich zum Süßigkeitenregal kam, mußte ich immerzu an John denken, wie er bettelte, ich sollte ihm Schokolade kaufen, und ich hab’s nicht getan, weil es schlecht für die Zähne ist. Und ich wünschte, ich hätte ihm alles gekauft, was er wollte, denn jetzt wäre es ja sowieso egal, oder?«
    Sie starrte ihn mit leerem Gesicht an, und die Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »So was darfst du nicht sagen.«
    »Warum nicht? Er ist tot. Du weißt, daß er tot ist. Ich muß immer daran denken, wie ich manchmal böse auf ihn war und ihn geschlagen habe und ihm nicht die Leckereien gekauft habe, die er wollte... O Mike! Was soll ich nur tun? Soll ich diesen Wein trinken und den Rest von Dr. Lomax’ Tabletten nehmen? Oder soll ich in den Regen rausgehen und einfach laufen und laufen, bis ich sterbe? Was hat das Leben noch für einen Sinn? Ich habe niemanden, niemanden.«
    »Du hast mich«, sagte Burden.
    Statt einer Antwort klammerte sie sich erneut an ihn, doch diesmal heftiger. “Verlaß mich nicht. Versprich mir, daß du mich nicht verläßt.«
    »Du solltest ins Bett gehen.., sagte er und wurde sich dabei der traurigen Ironie seiner Worte bewußt. Hatte er nicht genau das vorgehabt, als er seinen Wagen in der nächsten Straße abstellte? Daß er und sie zusammen ins Bett gehen sollten? Er hatte sich tatsächlich vorgestellt, daß diese halbwahnsinnige, leiderfüllte Frau sein Liebesangebot willkommen heißen würde. Du Idiot, flüsterte er sich scharf an. Doch es gelang ihm, ruhig zu sagen: »Geh ins Bett. Ich mache dir was Heißes zu trinken, du kannst eine Tablette nehmen, und ich bleibe bei dir sitzen, bis du einschläfst.«
    Sie nickte. Er trocknete ihr das Gesicht mit einem Taschentuch, das Grace ebenso sorgsam gebügelt hatte wie Rosalind Swan die Hemden ihres Mannes.« Verlaß mich nicht«, sagte sie noch einmal, dann ging sie mit schleppenden Schritten nach oben.
    Die Küche war in einer grauenvollen Unordnung. Seit Tagen war nichts abgewaschen oder weggeräumt worden, und es roch süßlich und abgestanden. Er fand Kakao und Trokkenmilch, und mit diesen unzulänglichen Zutaten versuchte er sein Bestes, mixte sie zusammen und erhitzte sie auf einer Herdplatte, die schwarz von eingebranntem Fett war.
    Sie saß aufrecht im Bett, das schwarz-goldene Tuch um die Schultern, und jene magische,

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