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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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exotische Ausstrahlung, zusammengesetzt aus Farbe und Fremdartigkeit und Unbefangenheit, war bis zu einem gewissen Grad zurückgekehrt. Ihr Gesicht war wieder gefaßt, die riesigen, stillen Augen weit aufgerissen. Das Zimmer war unaufgeräumt, sogar chaotisch, doch es war ein überwältigend weibliches Chaos, die verstreuten Kleidungsstücke strömten vermischte, süße Düfte aus.
    Er schüttelte eine Schlaftablette aus der Flasche und gab sie ihr mit dem Getränk. Sie lächelte ihn schwach an, nahm seine Hand, hob sie erst an ihre Lippen und hielt sie dann fest.
    »Du wirst dich nie mehr so von mir fernhalten?«
    »Ich bin ein armseliger Ersatz, Gemma«, sagte er.
    »Ich brauche«, sagte sie leise, »eine andere Art von Liebe, um vergessen zu können.«
    Er ahnte, was sie meinte, wußte aber nicht, was er antworten sollte, so saß er schweigend bei ihr und hielt ihre Hand, bis sie endlich erschlaffte und ihr Oberkörper in die Kissen sank. Er löschte die Nachttischlampe und streckte sich neben ihr aus, aber auf der Decke. Kurz darauf merkte er an ihren regelmäßigen Atemzügen, daß sie schlief.
    Das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr zeigte halb elf. Es kam ihm viel später vor, als sei ein ganzes Leben vergangen, seit er Grace zu Hause hatte sitzenlassen und durch den feuchten, regenerfüllten Dunst hierher gefahren war. Es war kühl im Zimmer, die Luft parfümgeschwängert, muffig und kalt. Ihre Hand lag lose in der seinen. Er zog die Hand weg und schob sich übers Bett, um aufzustehen und zu gehen.
    Wachsam, selbst im Schlaf, murmelte sie: »Verlaß mich nicht, Mike.« Obgleich völlig schlaftrunken, lag in ihrer Stimme ein Unterton von Entsetzen, von Grauen, sie könnte erneut allein gelassen werden.
    »Ich lasse dich nicht allein.« Er faßte seinen Entschluß rasch und entschieden. “Ich bleibe die ganze Nacht.«
    Zitternd entledigte er sich seiner Kleider und legte sich neben sie ins Bett. Es schien ganz natürlich, so zu liegen, wie er mit Jean gelegen hatte, sein Körper an ihren geschmiegt, sein linker Arm um ihre Taille, seine Hand auf der ihren, die wiederum besitzergreifend und fordernd zufaßte. Obwohl sein Körper ihm selbst so kalt vorkam, erschien er ihr offenbar warm, denn sie seufzte zufrieden auf und ließ sich entspannt gegen ihn sinken.
    Er dachte, er würde überhaupt nicht einschlafen, oder wenn doch, sofort einen seiner schrecklichen Träume haben. Aber so, wie sie da Seite an Seite lagen, war er es in seinen glücklichen Jahren gewohnt gewesen, und eben das hatte er im vergangenen, unglücklichen so bitter vermißt. Es weckte Begierde, doch gleichzeitig lullte es ihn ein. Und während er sich noch fragte, wie er diese andauernde Enthaltsamkeit ertragen konnte, schlief er ein.
     
    Es begann eben hell zu werden, als er erwachte und die andere Hälfte des Bettes leer, aber noch warm, vorfand. Sie saß in ihr Tuch gewickelt am Fenster, auf dem Schoß ein aufgeschlagenes Album mit Messingverschlüssen. Wahrscheinlich sah sie sich im ersten Licht der Morgendämmerung Bilder ihres Sohnes an. Mächtige, schwarze Eifersucht überkam ihn.
    Er beobachtete sie, lange, wie ihm vorkam, und haßte dabei beinah das Kind, das zwischen sie trat und seine Mutter mit gespenstisch zarter Hand wegzog. Langsam blätterte sie die Seiten um, hielt manchmal inne, um mit leidenschaftlicher Inbrunst darauf zu starren. Ein, wie er wußte, völlig ungerechter Unmut ließ ihn wünschen, sie möge herüberschauen, das Kind vergessen und an den Mann denken, der sich danach sehnte, ihr Liebhaber zu sein.
    Endlich hob sie den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Sie sagte nichts, und Burden schwieg ebenfalls, denn er wußte, daß er nur grausame, unverzeihliche Dinge hervorstoßen würde, wenn er etwas sagte. Sie schauten einander in dem blassen grauen Licht des Morgens an, dann stand sie leise auf und zog die Vorhänge zu. Sie waren aus Brokat, und obgleich alt und fadenscheinig, hatten sie ihr tiefes Pflaumenblau bewahrt; so gefiltert, nahm das Licht im Raum eine purpurne Färbung an. Sie ließ ihr Tuch fallen und stand still im farbigen Schattenlicht, damit er sie anschauen konnte.
    Ihr rotes Haar schien die Purpurfarbe ebenfalls angenommen zu haben, doch ihr Körper wurde davon kaum berührt, er war von blendendem Weiß. So etwas wie Staunen erfüllte ihn bei ihrem Anblick, und für den Moment war er damit zufrieden, nichts weiter zu tun, als zu schauen. Diese elfenbeinerne Frau, still und nun lächelnd, war alles

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