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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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noch. Weise waren sie gewesen und weitblickend, seine Schwiegereltern, als sie ihr den Namen Grace gaben.
    Sein Blick schloß nun beide ein, Tochter und Schwägerin, das Kind war zu seiner Tante getreten und stand neben ihr im selben Lichtkreis. Sie sahen sich sehr ähnlich, stellte er fest, mit den gleichen klaren, sanften Zügen und dem hellen, krausen Haar. Sie waren beide wie Jean. Das Bild von Gemma Lawrence wurde daneben grob, grellfarbig, rot und weiß und unnatürlich. Dann verflüchtigte es sich und ließ einen leeren Platz für seine Tochter und ihre Tante, den sie mit der normalen Schönheit ausfüllten, die er begreifen konnte.
    Grace war genau der Typ Frau, den er am meisten bewunderte. Sie besaß die zarte Schönheit, die er liebte, kombiniert mit der Kompetenz, die er brauchte. Konnte sie nicht, so fragte er sich, eine neue Jean sein? Warum nicht? Konnte sie nicht seine Rosalind Swan sein, so liebevoll und anhänglich, so rundum für ihn da, ohne die dümmlichen Affektiertheiten der anderen? Normalerweise stand Grace am Ende des Abends einfach auf, nahm ihr Buch und sagte: »Also dann, gute Nacht, Mike. Schlaf gut.« Und er sagte: »Gute Nacht, Grace. Ich sehe zu, daß alles abgeschlossen ist.« Das war alles. Sie berührten sich nie auch nur mit den Händen, standen nie nah beisammen oder ließen ihre Blicke zusammentreffen.
    Aber warum sollte er heute abend, wenn die Schlafenszeit kam, nicht ihre Hand nehmen und sie, während er ihr sagte, wieviel ihm ihr Hiersein bedeutete, sanft in die Arme schließen und küssen? Wieder warf er einen Blick zu ihr hinüber, und diesmal drehten sich beide, Pat und Grace, um und lächelten ihn an. Das Herz ging ihm auf mit einem warmen, leichten Glücksgefühl, sehr unterschiedlich zu den Stürmen, die Gemma Lawrence in ihm hervorrief. Das war eine Art Wahnsinn gewesen, nichts weiter als Begierde, herbeigeführt durch Frustration. Wie unwichtig es jetzt erschien!
    Pat liebte ihre Tante. Wenn er Grace heiratete, dann würde sie ganz zu ihm zurückkehren. Er streckte die Hand nach seiner Tochter aus, und sie kam - ihr vorheriger Ärger über ihn vergessen - zu ihm aufs Sofa gesaust und kuschelte sich eng an ihn, die Arme fest um seinen Hals geschlungen.
    »Soll ich dir mein Sammelalbum zeigen?«
    »Was hast du denn da drin?« sagte John, den Blick auf den Beweis seines Lehrsatzes geheftet. »Bilder von Raupen?«
    »Raupen sind mein Sommerhobby.« Pat sprach mit heiligem Ernst. »Du bist so ungebildet, du würdest das nicht wissen, aber den Winter verbringen sie in der Verpuppung.«
    »Und nicht mal du könntest Bilder von Verpuppungen sammeln. Da, laß mal sehen.«
    »Das wirst du nicht! Du darfst es nicht! Es ist meins.«
    »Laß sie in Ruhe, John. Leg das Buch hin.«
    Voller Abscheu sagte John: »Es sind bloß Tänzerinnen, blöde Ballettänzerinnen.«
    “Komm her und zeig es mir, Schätzchen.«
    Pat nahm den Erstickungsversuch an ihrem Vater wieder auf. »Kann ich nicht Ballettstunden haben, Daddy? Ich möchte so gern. Es ist der große Ehrgeiz meines Lebens.«
    »Warum nicht?«
    Grace, die ihren Brief inzwischen beendet hatte, lächelte zu ihm herüber. Sie lächelten einander zu wie glückliche Eltern, fröhlich in ihrer Verschwörung und im Gedanken daran, was sie für ihre Kinder alles tun würden.
    »Weißt du«, sagte Pat, »wenn ich jetzt nicht anfange, dann wird es zu spät. Ich weiß, daß ich arbeiten und arbeiten muß, aber es macht mir nichts aus, weil es mein großer Ehrgeiz ist, und ich könnte ein Stipendium kriegen und im Bolschoi-Ballet sein und eine Primaballerina assoluta werden wie Leonie West.«
    »Ich dachte«, warf ihr Bruder ein, »du wolltest wissenschaftliche Forschungen machen.«
    »Ach, das. Das war vor Jahren, als ich ein Kind war.«
    Ein kalter Schatten hatte Burden gestreift. »Wie wer hast du gesagt?«
    »Leonie West. Sie hat sich total zurückgezogen in ihre Wohnung und ihr Haus am Meer. Sie hat sich beim Skifahren ein Bein gebrochen und konnte nicht mehr tanzen, aber sie war die wunderbarste Tänzerin von der ganzen Welt.« Pat überlegte. »Jedenfalls finde ich das«, fuhr sie fort. »Ich habe ganz viele Bilder von ihr. Soll ich sie dir zeigen?«
    »Ja, mein Schatz, wenn du magst.«
     
    Sie besaß tatsächlich Unmengen Bilder. Pat hatte sie aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnitten. Nicht alle zeigten Leonie West, aber die meisten.
    Die aus der Entfernung aufgenommenen Fotos zeigten eine schöne Frau, doch die Zeit und

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