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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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andere als das laszive Geschöpf aus seinen Träumen, noch ähnelte sie der verzweifelten und erschöpften Kreatur, die er in den Schlaf getröstet hatte. Seine eifersüchtigen Gedanken um das Kind waren fast verflogen, und auch sie, so glaubte er, dachte nicht mehr daran. Kaum vorstellbar, daß dieser exquisite, straffe Körper überhaupt je ein Kind geboren hatte.
    Nur ein kleiner, bohrender Zweifel blieb.
    »Nicht aus Dankbarkeit, Gemma«, sagte er. »Nicht, um mich zu belohnen.«
    Da bewegte sie sich und kam zu ihm. »Daran habe ich überhaupt nie gedacht. Das wäre Betrug.«
    »Um zu vergessen dann? Ist es das, was du möchtest?«
    »Hat nicht jede Liebe mit Vergessen zu tun?« sagte sie. »Ist es nicht immer eine wunderbare Flucht aus dem - dem Hassenswerten?«
    »Ich weiß es nicht.« Er streckte die Arme nach ihr aus. »Es ist mir egal.« Scharf sog er die Luft ein, als er sie an sich fühlte, Schlankheit hier und dort die schwellende Fülle, und atemlos sagte er: »Ich werde dir weh tun. Ich kann nichts dafür, es ist so lange her für mich.«
    »Und für mich«, sagte sie, »wird es wie das erste Mal sein. Oh, Mike, küß mich, mach mich glücklich. Mach mich für ein kleines Weilchen glücklich...«

12
    »Keine schlechten Nachrichten?« fragte Dr. Crocker. »Über den kleinen John Lawrence, meine ich?«
    Verdrießlich beäugte Wexford die Papierstapel auf seinem Tisch und sagte: »Ich weiß gar nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Ihr habt also keine Hinweise? Ich war sicher, daß sich etwas getan hat, als ich Mike heute morgen um halb acht aus der Chiltern Avenue kommen sah.« Er hauchte kräftig an Wexfords Fensterscheiben und fing an, eine seiner ewigen Skizzen zu zeichnen. “Ich frage mich, was er da gemacht hat«, sagte er nachdenklich.
    »Warum erzählst du mir das? Ich bin nicht sein Hüter.« Wexford funkelte den Doktor samt seiner Skizze einer menschlichen Bauchspeicheldrüse wild an. »Und überhaupt, ich könnte dich ja genausogut fragen, was du da gemacht hast.«
    »Ein Patient. Ärzte haben immer eine Entschuldigung.«
    »Polizisten auch«, entgegnete Wexford.
    »Ich bezweifle, ob Mike seinen Dienst bei einem Schlaganfall ausgeübt hat. Übrigens der schlimmste Fall, der mir seit damals im Februar untergekommen ist, als ich zu diesem armen alten Knaben gerufen wurde, der auf dem Bahnsteig von Stowerton zusammengebrochen war. Hab ich dir das eigentlich mal erzählt? Der Mann hatte hier Urlaub gemacht, und als er zum Bahnhof kam, merkte er, daß er einen Koffer im Hotel, oder wo immer er gewohnt hatte, vergessen hatte. Er ist zurückgelaufen, um ihn zu holen, hat sich dabei wohl fürchterlich aufgeregt, und als nächstes...«
    Wexford ließ ein ärgerliches Bellen los. »Na und? Warum erzählst du mir das? Ich dachte, es gibt so was wie ärztliche Schweigepflicht. Ich werde auch bald einen Schlaganfall kriegen, wenn du so weitermachst.«
    »Eben diese Möglichkeit«, erwiderte Crocker liebenswürdig, »veranlaßt mich, meine kleine Geschichte zu erwähnen.« Er tupfte mit dem kleinen Finger die Langerhansschen Inseln hin. “Möchtest du ein neues Rezept für deine Tabletten?«
    »Nein. Möchte ich nicht. Ich habe Hunderte von den verdammten Dingern übrig.«
    »Also, das dürfte aber nicht sein«, sagte Crocker und richtete seinen feuchten Finger auf ihn. »Dann kannst du sie nicht regelmäßig genommen haben.«
    »Hau bloß ab. Verkrümel dich. Hast du nichts Besseres zu tun, als meine Fenster mit deinen garstigen anatomischen Studien zu verunzieren?«
    »Bin schon weg.« Der Doktor tänzelte davon, hielt in der Tür inne und beglückte den Chief Inspector mit einem, nach Wexfords Ansicht, absolut unsinnigen Augenzwinkern.
    »Dummerjan«, bemerkte Wexford in den leeren Raum. Doch Crockers Besuch hinterließ ein unbehagliches Gefühl. Um es loszuwerden, fing er an, die Berichte der Kollegen von der Metropolitan Police durchzulesen, die Gemma Lawrences Freunde befragt hatten.
    Größtenteils schienen sie beim Theater zu sein oder damit zu tun zu haben, doch kaum ein Name war ihm bekannt. Seine jüngere Tochter hatte eben die Schauspielschule absolviert, und durch sie hatte Wexford viele Schauspielemamen gehört, die noch nie irgendwo in Leuchtschrift erschienen oder in der Radio Times aufgetaucht waren. Keiner davon kam in der Liste vor, und er konnte ihre Berufe nur aus den Bezeichnungen ‘Schauspieler’ oder’Regieassistent’ oder ‘Modell’ ersehen, die hinter fast jedem Namen

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