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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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davonzusegeln.
    Es war inzwischen viel zu spät geworden, noch zum Essen zu gehen. Das Personal im Carousel sah einen schief an, wenn man nach ein Uhr dreißig zum Essen erschien. Wexford ließ sich aus der Kantine Sandwiches bringen und hatte gerade die Hälfte davon gegessen, als der Bericht über die Haarlocke aus dem Labor kam. Das Haar, so las Wexford, stammte von einem Kind, aber nicht von John Lawrence. Es war mit den Haaren aus Johns Bürste verglichen worden. Obgleich er nur ungefähr fünfundzwanzig Prozent des Fachjargons verstand, versuchte Wexford, so gut er eben konnte, zu begreifen, weshalb sie so sicher waren, daß die Haare aus der Bürste sich von denen der Locke unterschieden, und mußte sich schließlich damit zufriedengeben, daß es so war.
    Sein Telefon klingelte. Es war Loring aus dem Raum, wo alle Anrufe zusammenliefen, die mit den Fällen Lawrence und Rivers zu tun hatten.
    »Ich glaube, den hier werden Sie übernehmen wollen, Sir.«
    Sofort dachte Wexford an Monkey Matthews, verwarf den Gedanken aber ebenso rasch wieder. Monkey würde nicht telefonieren.
    »Schneiden Sie’s mit, Loring«, sagte er, und dann: »Kommt der Anruf aus einer Zelle?«
    »Leider nein, Sir. Wir können ihn nicht verfolgen.«
    »Stellen Sie ihn durch«, sagte Wexford.
    Sobald er die Stimme hörte, wußte er, daß der Anrufer versuchte, sie zu verstellen. Ein paar Kügelchen im Mund wahrscheinlich. Doch irgend etwas konnte er nicht verändern, die Stimmlage vielleicht. Wexford kannte die Stimme. Nicht den Besitzer, noch konnte er sich erinnern, wo er ihn schon gesehen hatte, was er gesagt hatte, oder sonst irgend etwas über ihn. Aber er war sicher, daß er diese Stimme schon gehört hatte.
    »Ich werde Ihnen meinen Namen nicht nennen«, sagte die Stimme. “Ich habe Ihnen zweimal geschrieben.«
    »Die Briefe sind angekommen«, Wexford war beim Klingeln aufgestanden und konnte von seinem Platz aus die High Street überblicken, wo eine Frau eben liebevoll ihr Baby aus dem Kinderwagen hob, um es mit sich in einen Laden zu nehmen. Sein Arger war ungeheuer, und er fühlte das Blut gefährlich in seinen Schläfen klopfen.
    »Sie haben heute Spielchen mit mir gespielt. Das wird morgen nicht passieren.«
    »Morgen«, sagte Wexford ausdruckslos.
    “Ich werde morgen auf dem Gelände von Saltram House sein, bei den Brunnen. Ich werde um sechs Uhr da sein, mit John. Und ich möchte, daß seine Mutter ihn abholt. Allein.«
    »Von wo aus rufen Sie an?«
    »Von meiner Farm«, sagte die Stimme und wurde dabei schrill. »Ich habe eine Hundertzwanzighektarfarm nicht weit von hier. Pelzfarm, Nerze, Kaninchen, Chinchillas, alles. John weiß nicht, daß ich sie der Pelze wegen halte. Das würde ihn nur unglücklich machen, oder?«
    Wexford hörte den authentischen Unterton der Geistesgestörtheit heraus. Er wußte nicht, ob er das beruhigend oder alarmierend finden sollte. Er grübelte über dieser Stimme, die er schon gehört hatte, eine dünne, hohe Stimme, deren Besitzer sich schnell angegriffen fühlte und Kränkung heraushörte, wo keine war.
    »Sie haben John nicht«, sagte er. »Die Haare, die Sie uns geschickt haben, waren nicht Johns.« Verachtung und Wut ließen ihn alle Vorsicht vergessen. »Sie sind ein dummer, unwissender Bursche. Haare kann man heutzutage ebenso genau identifizieren wie Blut.«
    Dieser Erklärung folgte schweres Atmen am anderen Ende der Leitung. Wexford merkte, daß er getroffen hatte. Er holte tief Luft, um Beschimpfungen loszulassen, doch bevor er noch reden konnte, sagte die Stimme kalt:
    »Glauben Sie, das wüßte ich nicht? Die Locke habe ich Stella Rivers abgeschnitten.«

13
    The Piebald Pony gehört nicht zu den Pubs, die Englandkenner normalerweise mit derartigen Einrichtungen in ländlichen Gegenden in Verbindung bringen würden. Wenn man von Sparta Grove her kommt und den Blick gesenkt hält, so daß man die umliegenden Hügel nicht sehen kann, käme man tatsächlich nicht auf die Idee, überhaupt auf dem Land zu sein. Sparta Grove und Charteris Road, die rechtwinklig aufeinandertreffen - und genau an der Ecke liegt The Piebald Pony - ähneln eher Nebenstraßen in einer Industriestadt. Einige Häuser haben schmale Vorgärten, aber die meisten Türen führen direkt auf den Bürgersteig, genau wie die Eingänge zur Public Bar und zur Saloon Bar des Pony.
    Einer der Räume liegt zur Sparta Grove, der andere zur Charteris Road. Beide sind gleich groß und gleich geschnitten, und die Saloon Bar

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