Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Erstickungsanfall verantwortlich, und nicht der Tabak darin. »Ich hab’ne Menge Freunde, hab ich bei meinen Reisen kennengelernt.«
»In diversen Zellen kennengelernt, meinst du wohl«, korrigierte Wexford.
Monkey hatte schon längst vergessen, wie man errötet, doch der wachsame Ausdruck, der über sein Gesicht huschte, zeigte Wexford, daß er ins Schwarze getroffen hatte. »Mein Freund«, sagte er, »is gestern hier angekommen. Kleiner Urlaub bei mir und Rube. Bißchen ausruhen, so was. Er’s ein alter Mann, und seine Gesundheit is nich mehr, was sie mal war.«
»Wegen der zugigen Gefängnishöfe, nehme ich an.«
»Ach, hörn Sie auf, ja? Mein Freund hat Infos, die Ihnen die Augen ein bißchen öffnen werden, betreffend die Vorgeschichte von Mr. Ivor Schweinehund Swan.«
Falls Wexford überrascht war, so zeigte er es nicht. »Er hat keine Vorgeschichte«, sagte er kalt, »oder jedenfalls nicht das, was du darunter verstehst.«
“Nich schriftlich, das glaub ich gern. Nich all unsre Vergehen sind in den Akten, Mr. Wexford, noch lange nich. Ich hab sagen hören, daß mehr Mörder frei rumlaufen, als je ’nen Kopf kürzer gemacht worden sind, weil man nämlich denkt, die Ermordeten wärn auf natürliche Weise gestorben.«
Wexford rieb sich das Kinn und betrachtete Monkey nachdenklich. »Also, gehen wir zu deinem Freund«, schlug er vor, »und hören wir uns an, was er zu sagen hat. Könnte vielleicht ein paar Piepen wert sein.«
»Er würde auf Bezahlung bestehen.«
»Da bin ich ganz sicher.«
»Er hat’s extra gesagt«, meinte Monkey im Konversationston.
Wexford stand auf und öffnete ein Fenster, um etwas Rauch rauszulassen. »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, Monkey. Ich kann nicht den ganzen Tag hier rumhängen und mit dir verhandeln. Wieviel?«
»Einen halben Riesen«, verkündete Monkey lakonisch.
Mit freundlicher, doch distanzierter Stimme, in der ungläubige Rage mitschwang, sagte Wexford: »Du muß ja völlig verrückt geworden sein, wenn du ernsthaft annimmst, die Regierung würde an einen abgehalfterten alten Knastbruder fünfhundert Pfund für Informationen zahlen, die sie umsonst aus einer Akte haben kann.«
»Fünfhundert«, wiederholte Monkey, »und wenn alles gutgeht, die zwei Tausender Belohnung vom Onkel.« Er hustete schleimig, doch ohne Anzeichen von Unbehagen. »Wenn Sie nix damit zu tun ham wolln«, fuhr er liebenswürdig fort, »kann mein Freund immer noch zum Chief Constable gehen. Griswold heißt er, oder?«
»Willst du mir, verdammt noch mal, drohen?«
»Drohen? Wer redet von drohen? Diese Informationen sind im öffentlichen Interesse, das isses.«
Entschieden sagte Wexford: »Du kannst deinen Freund mit hierherbringen, und dann sehen wir weiter. Vielleicht ist die Sache ja ein paar Pfund wert.«
»Er kommt nich hierher. Der geht nicht freiwillig in so’n Bau. Anders als ich is der. Aber wir beide sind heute abend Punkt sechs im Pony, und ich möcht behaupten, er würd’nen freundlichen Auftakt in Form von Alkohol zu schätzen wissen.«
War es möglich, daß an dieser Geschichte etwas dran war, fragte sich Wexford, nachdem Monkey gegangen war. Und sofort fielen ihm Rivers Andeutungen zum Tod von Swans Tante ein. Angenommen, Swan hatte doch dazu beigetragen, den Tod der alten Dame zu beschleunigen? Gift womöglich. Das würde zu Swan passen, eine bequeme, langsame Art des Tötens. Und angenommen, dieser Freund von Monkey war im Hause angestellt gewesen, als Mädchen für alles vielleicht, oder sogar als Butler? Er konnte etwas gesehen haben, sich etwas zusammengereimt und es jahrelang für sich behalten haben...
Wexford kam wieder auf den Boden der Tatsachen und zitierte lachend eine seiner Lieblingspassagen von Jane Austen: »Ziehe stets deinen eigenen Verstand zu Rate, deine eigene Erkenntnis des Wahrscheinlichen, deine eigenen Beobachtungen dessen, was um dich herum vorgeht. Bereitet unsere Erziehung uns auf solche Ungeheuerlichkeiten vor? Leisten unsere Gesetze ihnen stillschweigend Vorschub? Könnten sie heimlich verübt werden in einem Land wie diesem, wo soziale und literarische Verbindungen auf solch einer Grundlage stehen; wo jedermann von freiwilligen Spionen umgeben ist, und wo Straßen und Zeitungen alles bloßlegen?«
Vor langer Zeit hatte er diese Zeilen auswendig gelernt. Sie waren ihm stets nützlich gewesen und hatten dafür gesorgt, daß er immer mit beiden Beinen fest auf dem Boden blieb, wenn er Gefahr lief, auf den Flügeln des Zorns
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