Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Art von Indifferenz der Zeit gegenüber, diese sublime Faulheit ist sehr anziehend. Ich denke oft, daß es viel eher diese Eigenschaft war als ihre Religiosität, die Christus Maria preisen und Martha, die geschäftige und eifrige Arbeiterin, zurechtweisen ließ.«
Wexford war nicht gekommen, um mehr über Ivor Swans Wesen zu erfahren, das er hinreichend zu kennen glaubte, doch er mochte auch Frensham nicht mitten in seinem Diskurs unterbrechen. Ebensowenig wie ein Spiritist die Eröffnungen seines Mediums in Trance unterbrochen hätte. Wie wahrscheinlich auch der Spiritist hatte Wexford das Gefühl, so etwas könne gefährlich sein.
»Schwärme von Mädchen verfolgten ihn ständig«, fuhr Frensham fort. »Einige waren schön, alle waren intelligent. Ich spreche natürlich von Mädchen in Oxford. Mit manchen ging er ins Bett, aber er führte sie nie aus, nicht mal auf einen Drink. Das kümmerte ihn einfach nicht. Er sagte immer, kluge Frauen möge er nicht, sie würden ständig versuchen, ihn zum Reden zu bringen.
Ich habe ihm mal gesagt, was für eine Frau er heiraten würde: eine hirnlose, idiotische Puppe, die ihn anbeten und Aufhebens um ihn machen und nichts anderes verlangen würde als seine Anwesenheit. Er würde nicht sie heiraten, sondern umgekehrt, sie würde ihn allen Widrigkeiten zum Trotz zum Altar schleifen. Ich habe in der Zeitung gelesen, daß er verheiratet ist. Hat er so eine Frau?«
»Ja«, sagte Wexford, »ganz genau so.«
Frensham ließ sich schwer in den Sessel fallen. Er sah jetzt ziemlich mitgenommen aus, überkommen von qualvollen Erinnerungen. Wexford fragte sich, ob er und Swan tatsächlich Liebende gewesen waren, entschied jedoch dagegen. Die Bereitschaft auf Frenshams Seite war sicherlich dagewesen, doch Swan hatte das wahrscheinlich einfach nicht gekümmert.
»Ich habe nie geheiratet«, sagte Frensham. »Ich war mit diesem Mädchen, Adelaide Turner, verlobt, aber es ist nichts daraus geworden. Ich erinnere mich, daß Ivor nicht sehr begeistert war, daß sie mit uns in Ferien fuhr, und ich auch nicht, nicht wirklich, zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Er meinte, sie würde stören.« Er goß sich nach und sagte: »Ich kann nicht aufhören zu trinken, tut mir leid. Normalerweise trinke ich nicht viel, aber wenn ich erst mal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören. Ich verspreche Ihnen, ich werde mich nicht lächerlich machen.«
Man hätte sagen können, daß er das bereits tat. Wexford war weniger harsch. Frensham tat ihm leid, und das Gefühl verstärkte sich noch, als er plötzlich sagte:
“Ich weiß nicht, ob ich Ihnen ein richtiges Bild von Ivors Charakter gebe oder nicht. Wissen Sie, obwohl ich ihn seit zwölf Jahren nicht gesehen habe, träume ich oft von ihm, manchmal dreimal in der Woche. Es muß Ihnen idiotisch vorkommen, ich habe es bisher noch nie jemandem erzählt. Ich erwähne es jetzt, weil ich nicht mehr recht zwischen dem wirklichen Ivor und dem aus meinen Träumen unterscheiden kann. Die beiden Bilder sind derart vermengt, daß sie ineinander übergehen und eins geworden sind.«
»Erzählen Sie mir über diesen Urlaub«, sagte Wexford sanft. »Erzählen Sie mir von Bridget Scott.«
»Sie war erst elf«, sagte Frensham, und seine Stimme klang normaler und gelassener, wenn er nicht von Swan redete. »Aber sie sah viel älter aus, mindestens wie vierzehn. Es klingt vielleicht absurd, wenn ich sage, daß sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebte, aber so ist es. Und natürlicherweise hatte sie in ihrem Alter noch nicht gelernt, ihre Gefühle zu verbergen. Sie belästigte Ivor unablässig, er sollte mit ihr schwimmen gehen, er sollte im Aufenthaltsraum neben ihr sitzen. Sie fragte sogar ihre Mutter in unserem Beisein, ob er nicht kommen dürfe, ihr gute Nacht zu sagen, wenn sie oben im Bett lag.«
»Und wie hat Swan sich zu all dem verhalten?«
»Er hat einfach keine Notiz davon genommen. Adelaide hat er genauso behandelt. Immerhin hat er geantwortet, wenn sie ihn ansprach, doch mit Bridget redete er meist überhaupt nicht. Sie sei im Wege, meinte er, und ich erinnere mich, daß er es ihr auch mal gesagt hat.«
Frensham lehnte sich zurück und seufzte tief auf. Er schloß kurz die Augen und öffnete sie dann wie unter großer Anstrengung wieder. »Der Untersuchungsrichter«, sagte er, »war ein alter Mann, wie ein Geier. Ich wollte Ivor nicht verraten. Aber sie brachten mich dazu, von seinem Schwimmzeugnis zu erzählen. Ich hatte keine andere Wahl.« Die
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