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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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haben.«
    Villiers zog die dünnen, farblosen Augenbrauen ein wenig hoch. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war unfreundlich und herablassend. »Offen gestanden«, sagte er, »spielt das keine große Rolle. Meine Schwester und ich hingen nicht sonderlich aneinander.«
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Sie dürfen, und es macht mir nichts aus, Ihnen darauf zu antworten. Der Grund war, daß wir nichts gemeinsam hatten. Meine Schwester war eine hohlköpfige frivole Frau, und ich - nun, ich bin kein hohlköpfiger frivoler Mann.« Villiers richtete den Blick nach unten auf seine Schreibmaschine. »Dennoch wäre es wohl nicht sehr taktvoll, wenn ich heute noch weiterarbeiten würde, oder?«
    »Soweit ich weiß, haben Sie und Ihre Frau den gestrigen Abend im Herrenhaus verbracht, Mr. Villiers?«
    »Das ist richtig. Wir haben Bridge gespielt. Um halb elf haben wir uns verabschiedet, sind nach Hause gefahren und zu Bett gegangen.« Villiers sprach in schneidendem Ton, in dem eine nervöse Gereiztheit lag, die leicht in Wut umschlagen konnte. Er hustete und drückte sich die Hand auf die Brust. »Ich habe einen Bungalow in der Nähe von Clusterwell. Die Fahrt vom Herrenhaus dorthin hat gestern abend ungefähr zehn Minuten gedauert. Meine Frau und ich gingen gleich zu Bett.«
    Sehr präzis und ordentlich, dachte Wexford. Als ob er zuvor einstudiert hätte, was er sagen wollte. »Wie hat Ihre Schwester gestern abend auf sie gewirkt? Normal? Oder machte sie einen aufgeregten Eindruck?«
    Villiers seufzte. Mehr aus Langeweile denn aus Kummer, fand Wexford. »Sie war genau so wie immer, Chief Inspector, die allseits geliebte, gütige Gutsherrin. Sie spielte schon immer entsetzlich schlechtes Bridge, und gestern abend war es weder schlechter noch besser als sonst.«
    »Wußten Sie, daß sie nächtliche Spaziergänge im Wald unternahm?«
    »Ich wußte, daß sie nächtliche Spaziergänge im Park unternahm. Wahrscheinlich hat es deshalb dieses Ende mit ihr genommen, weil sie so dumm war, sich weiter zu wagen.«
    »Es hat Sie also nicht gewundert, von ihrem Tod zu erfahren?« fragte Wexford.
    »Ganz im Gegenteil, es hat mich sehr gewundert. Selbstverständlich war ich bestürzt. Aber nun, wo ich darüber nachgedacht habe, nein, da wundere ich mich nicht mehr so sehr. Frauen, die sich allein an abgelegenen Orten aufhalten, sind potentielle Mordopfer. Zumindest nach dem, was man so hört. Ich lese keine Zeitungen. Derlei Dinge interessieren mich nicht.«
    »Jedenfalls haben Sie keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß Sie Ihre Schwester nicht mochten.« Wexford ließ den Blick in dem großen, ruhigen Zimmer schweifen. »Unter diesen Umständen ist es doch merkwürdig, daß ausgerechnet Sie sich von ihr so großzügig unterstützen ließen.«
    »Ich lasse mich von meinem Schwager unterstützen, Chief Inspector.« Kreidebleich vor Wut oder einer anderen Regung, die Wexford nicht deuten konnte, sprang Villiers aus dem Stuhl auf. »Guten Morgen, Sir.« Er öffnete die Tür, und der düstere Treppenschacht tat sich gähnend vor ihm auf.
    Wexford stand auf und wandte sich zum Gehen. Auf halbem Weg zur Tür blieb er plötzlich stehen und warf Villiers einen verwirrten Blick zu. Die Vorstellung, der Mann könne noch kränker, noch leichenhafter aussehen als zu Beginn ihrer Unterredung, schien unmöglich. Doch als er jetzt auf der Schwelle stand und sein dünnes Ärmchen ausstreckte, war aus dem graugelben Teint auch noch der letzte Rest von Farbe verschwunden.
    Beunruhigt stürzte Wexford auf ihn zu. Villiers stieß ein seltsames leises Keuchen aus und verlor in seinen Armen das Bewußtsein.
     
    »Dann wollen wir mal«, sagte Crocker, der Polizeiarzt und mit Wexford befreundet war. »Elizabeth Nightingale war eine guternährte und für ihr Alter ungewöhnlich gutaussehende Frau um die Vierzig.«
    »Einundvierzig«, sagte Wexford, zog seinen Regenmantel aus und hängte ihn an den Haken hinter seiner Bürotür. Auf der Ecke seines Schreibtisches warteten einige Sandwiches mit kaltem Braten und eine Thermoskanne Kaffee auf ihn, die man ihm aus der Kantine ins Büro geschickt hatte. Er setzte sich in den großen Drehstuhl, und nachdem er eine Weile voller Widerwillen auf das oberste Sandwich gestarrt hatte, das sich an den Rändern schon einzubiegen begann, machte er sich seufzend darüber her.
    »Der Tod«, sagte der Arzt, »trat infolge eines Schädelbruchs und zahlreicher Gehirnverletzungen ein. Es wurden mindestens ein Dutzend Schläge mit einem

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