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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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nicht sonderlich stumpfen Gegenstand aus Metall geführt. Ein Beil oder ein Messer scheidet aus, würde ich sagen, aber es muß etwas mit schärferen Kanten gewesen sein als zum Beispiel ein Bleirohr. Die Todeszeit - du weißt ja, wie schwer sich das abschätzen läßt - würde ich irgendwann nach dreiundzwanzig und vor ein Uhr ansiedeln.«
    Burden saß an der Wand. Über seinem Kopf hing die amtliche Karte des Landkreises von Kingsmarkham, auf der die dunkle Fläche des Cheriton Forest wie der Umriß einer lauernden Katze aussah. »Die Durchsuchung von Park und Wald verlief bislang ohne Ergebnis«, sagte er. »An was für eine Waffe dachtest du?«
    »Tut mir leid, Mike, aber das ist deine Aufgabe, alter Junge«, sagte Crocker, ging ans Fenster und schaute auf die High Street hinunter. Vielleicht fand er die vertraute Aussicht langweilig, denn er hauchte die Scheibe kräftig an und begann, in die von seinem Atem beschlagene Fläche ein Muster zu malen, das eine Topfpflanze oder das Schaubild des menschlichen Atmungssystems darstellen mochte. “Ich habe nicht den geringsten Anhaltspunkt. Könnte eine Blumenvase aus Metall oder sogar ein Küchengerät sein. Vielleicht auch ein ausgefallener Aschenbecher, eine Feuerzange oder ein Bierkrug.«
    »Glaubst du?« fragte Wexford spöttisch, während er auf beiden Backen kaute. »Ein Kerl geht in den Wald, und weil er dort eine Frau umbringen will, bewaffnet er sich mit einem Schneebesen, ja, oder vielleicht mit einem Kochtopf? Da merkt einer, daß ihm seine Frau Hörner aufsetzt, deshalb zückt er die silberne Blumenvase, die er zufälligerweise in der Tasche mit sich herumträgt, und zieht ihr damit eins über den Schädel?«
    »Willst du damit etwa sagen, daß du dir Quentin Nightingale, diese Stütze der Gesellschaft, als Verdächtigen ausgeguckt hast?« fragte der Arzt entsetzt.
    »Er ist doch wohl auch nur ein Mensch, oder? Auch er kann einmal in Wut geraten. Ehrlich gesagt, ich würde mich lieber an ihren Bruder halten, diesen Villiers. Aber so wie der aussieht, ist er zu schwach, um auch nur Messer und Gabel zu halten, geschweige denn, um auf jemanden mit der Bratpfanne loszugehen.« Wexford aβ sein Sandwich auf und schraubte den Deckel auf die Thermoskanne. Dann drehte er sich auf dem Stuhl um und blickte den Arzt unverwandt und nachdenklich an. »Ich habe mit Villiers gesprochen«, sagte er. »Unter anderem machte er auf mich den Eindruck eines schwerkranken Mannes. Gelbliche Haut, zitternde Hände, das Übliche eben. Als ich mich eben von ihm verabschieden wollte, fiel er glatt in Ohnmacht. Eine Weile glaubte ich schon, er sei tot, aber er kam wieder zu sich, und ich verfrachtete ihn ins Herrenhaus.«
    »Er ist Patient bei mir«, sagte Crocker, wischte seine Zeichnung mit der Handkante aus und gab Wexford den Blick auf seine Lieblingsaussicht mit den alten Hausgiebeln und den mächtigen Sussexbäumen frei. »Die Nightingales sind Privatpatienten bei irgendeinem feinen Snobiety-Arzt, aber Villiers kommt schon seit Jahren zu mir in die Praxis.«
    »Und als wahrer Priester der medizinischen Konfession«, wandte sich Wexford ironisch an ihn, »hast du natürlich vor, was immer ihm fehlen mag, in deinem hippokratischen Herzen zu verschließen.«
    »Das würde ich schon, nur müßte es dazu auch etwas geben, das ich dort verschließen könnte. Rein zufällig ist er aber mindestens so gesund wie du.« Crocker musterte den schwergewichtigen Wexford und faßte dabei die vorstehenden purpurnen Adern auf seiner Stirn ins Auge. »Wenn nicht gesünder«, fügte er kritisch hinzu.
    Mühsam zog Wexford die Bauchmuskeln ein und drückte das Kreuz durch. »Wenn das keine Überraschung ist!« meinte er. »Ich dachte, es sei Krebs, aber offenbar handelt es sich um eine seelische Qual, die an seinen rosaroten Wangen zehrt. Schuldgefühle zum Beispiel. Wie alt ist er?«
    »Na hör mal...«, sagte der Arzt und rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her.
    »Nun hab dich mal nicht so. Das Alter eines Mannes gehört wohl kaum zu den Dingen, die er seinem Quacksalber nur hinter dem sterilen grünen Schirm des Sprechzimmers anvertraut...«
    »Er ist achtunddreißig.«
    »Achtunddreißig! Er sieht zehn Jahre älter aus, und selbst dann noch ziemlich krank. Lieber Himmel, im Vergleich zu ihm ist Mike der reinste Pennäler.«
    Zwei alternde Augenpaare richteten sich forschend auf Burden, der bescheiden den Blick abwandte, dabei aber eine selbstgefällige Miene aufsetzte. Ziemlich reizbar

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